Das „Schwarz“ für den griechischen Staatssender ERT war ein Schritt gegen die Demokratie

  Es war an einem Dienstag, vor gerade mal drei Jahren. Am 11. Juni 2013 trat Simos Kedikoglou, seines Zeichens Regierungssprecher der Nea Dimokratia, vor die öffentlich-rechtlichen Kameras und verkündete, dass an diesem Tag und zwar kurz vor Mitternacht, der seit 1938 bestehende griechische Staatssender ERT, mit seinen drei Fernseh- und zahlreichen Hörfunkprogrammen abgeschaltet wird. Diese Entscheidung war vorher nicht mit den beiden Koalitionspartnern, PASOK und DIMAR, abgesprochen worden.       Innerhalb einer Stunde löste die fast 5-minütige Rede des Regierungssprechers einen Ansturm des Protestes im ganzen Land aus. Tausende griechische Bürger versammelten sich vor den beiden ERT-Mutterhäusern des Landes, in Athen und Thessaloniki, um ihre Solidarität mit den damals beschäftigen Kollegen zu bekunden. Fast zeitgleich postierte die Regierung Wachpersonal vor den Eingängen des Senders, so dass vorerst weder Technicker und Journalisten die Gebäude betreten, noch verlassen durften.       Womit niemand aber gerechnet hatte: Die Journalisten, Kameraleute und Technicker kamen auch nach der Schließung im Sender und machten weiterhin ihr tägliches Programm. Durch die Unterstützung der EBU, der europäischen Rundfunkunion, konnten die Sendungen dann über ein Satelittensignal und einem Livestream weiter ausgestrahlt werden. Die griechischen Kollegen gründeten die Internetplatform: www.ert-open.gr und arbeiteten unter größten persönlichen Einbussen weiter. Doch die zwei unbezahlten Arbeitsjahre bei ERT sind nicht spurlos an ihnen vorbei gegangen. Viele verlierten ihre soziale Stellung, andere ihre Gesundheit, manche durch den Schock sogar ihr Leben. Und in ganz Griechenland wurde die Schließung des öffentlich-rechtlichen Staatssenders als faschistischer Akt gegen die freie Meinungäußerung und die Demokratie angesehen. Bei den älteren Bürgern rief diese Staatshandlung Erinnerungen wach, die sie aus der Zeit der griechischen Militärdiktatur kannten.           Die Regierung Samaras muss recht naiv davon ausgegangen sein, dass die griechische Bevölkerung diese Aktion gut heißen würde. Schließlich musste sie Erfolge in der Krise nachweisen. Im Fall von ERT hieß der Vorwand, die Staatsausgaben zu senken. Doch die Regierung muss schlechte Berater gehabt, die Macht der, zumindest seriösen Journalisten im Land, falsch eingeschätzt haben. Ein Unternehmen schließen zu wollen, das weder verschuldet, noch für den griechichen Staatshaushalt finanziell belastend war, diesen Plan konnte niemand so ganz unterstützen.   Allein für das Jahr 2013 zahlte ERT 149 Mio. Euro an Steuern an den griechischen Staat. Das hieß umgerechnet für jeden griechischen Bürger einen monatlichen Betrag von 4,20 Euro an Rundfunkgebühren, die traditionell als Posten auf der Stromrechnung mit aufgeführt werden. Dieser Betrag gilt als der Niedrigste in ganz Europa. Im Vergleich dazu kosteten die Privatsender dem griechischen Bürger umgerechnet 50 Euro im Monat, weil die meisten ohne Genehmigung arbeiteten und deshalb keine steuerlichen Verpflichtungen gegenüber dem griechischen Staat, zumindest bis vor kurzen noch, hatten.       Was Simos Kedikoglou, der Regierungsvertreter der Nea Demokratia am Morgen des 13. Juni 2013 aber offiziell verkündete, klang anders: ERT sei der lebendige Beweis einer ungeheuerlichen Vergeudung, erklärte er. Und deshalb finde es heute ein Ende. Denn der griechische Bürger würde sich mit ca. 4 Mio. Euro im Jahr an dieser Verschwendung beteiligen. ERT habe 3 – 7 mal mehr Kosten, als andere (gemeint sind) Privatsender. Und würde sich 4-6 mal mehr Angestellte leisten, bei einer sehr geringen Zuschauerquote: Nur halb so groß, wie die eines mittelgroßen Privatsenders. Darüber hinaus verfüge ERT über einen großen Grundbesitz, der nicht angemessen verwaltet würde. Sie habe 6 verschiedene Steuerbüros, die nicht zusammen arbeiteten. Auch wäre keine Transparenz vorhanden, weder im Bereich des Besetzungsbüros, noch bei den Ausgaben des Senders. Ebenso seien die Mitarbeiter von ERT überbezahlt und würden mit freien Produktionsteams und Studios zusammen arbeiten, ohne auf die eigenen Leute zurückzugreifen. Etwas, dass enorm viel Geld koste.   ERT, so verkündete Regierungssprecher Kedikoglou weiter, wäre ein Skandal, von dem alle wüßten, aber niemand außer seine Partei es bisher gewagt habe, dagegen vorzugehen. - So läge es nun in der Entscheidung der Nea Dimokratia, anstatt der ERT einen lokalen und nicht staatlich kontrollierten Sender zu gründen, wie es ihn angeblich überall in Europa gibt. Solange dieser Sender noch nicht funktioniert, bräuchten die griechischen Bürger keine Rundfunkgebühren zahlen. Und nach Öffnung würden die Gebühren geringer sein, als bisher. Und dann gab er noch eine letzte, ungeheure Empfehlung an die Mitarbeiter des Senders weiter: Wer seine Arbeit verlieren sollte, der könnte sich im Krankenhausbereich einstellen lassen und überall dort, wo staatliche Mitarbeiter gebraucht würden.       Ich erinnere mich noch genau: Wer, so wie ich, an jenem Tag für ausländische Sender in Griechenland unterwegs gewesen ist, der wusste, dass mit der Entscheidung den griechsichen Staatssender ERT zu schließen, die Regierung ihr Todesurteil ausgebrochen hatte. Etwas, dass sich genau zwei Jahre später, mit der Wahl des linksliberalen Alexis Tsipras von der Syriza-Partei, bewahrheiten sollte. Diese ließ unter größter Begeisterung der griechischen Wähler, am 11. Juni 2015 die griechische, öffentlich-rechtliche Fernseh- und Hörfunkanstalt ERT wiedereröffnen, so wie er es auch in seinem Wahlkampf versprochen hatte. Der Jahresetat von ERT wurde auf 60 Mio. Euro festgelegt und wird seitdem mit einem monatlichen Rundfunkbeitrag von 3 Euro beglichen. Von den ursprünglich 2656 entlassenen Mitarbeitern sind wieder Viele im vollem Einsatz. Andere sind pensioniert. Doch haben sich die meisten bis heute weder vom Schock, noch von den zwei Jahren unbezahlter Arbeit ganz erholen können.   Gestern fragte mich ein deutscher Kollege, ob irgendjemand bei der Nea Demokratia für die Schließung von ERT und dem damit verbundenen Versuch die freie Meinungsäußerung des griechischen Bürgers zu untergraben, sich vor Gericht verantworten musste? - Meines Wissens bisher nicht! - Doch eines steht ganz sicher fest: Es werden Jahre vergehen, bis sich die Nea Dimokratia von den Folgen, die sich aus der Aktion vom 11.6.2013 ergeben haben, wird erholen können.