Der steinige Weg zum Audio-Web

22.01.2015

Wer schon mal ein Video bei Youtube veröffentlicht hat, kennt das vielleicht: Googles Videoplattform erstellt automatisch ein Transkript des veröffentlichten Film-Materials. Im Hintergrund arbeitet ein Sprachanalyseprogramm, das jedes gesprochene Wort in geschriebenen Text verwandelt. Dank eines Timecodes wird der transkribierte Text im Zeitfluss zum Video synchronisiert. Das ermöglicht ein Durchsuchen der Video-Tonspur auf der Textebene. Nutzer können per Klick auf das gesuchte Wort im Transkript zu der entsprechenden Stelle im Video springen. Zugegeben: Dieses System führt nicht immer zu akzeptablen Ergebnissen und hängt stark von der Tonqualität des Originalmaterials und der im Video gesprochenen Sprache ab. Englisch funktioniert bisher am besten. Das Potenzial dahinter ist jedoch enorm, denn die Audiospur wird plötzlich durchsuchbar, sortierbar, verlinkbar und maschinell verarbeitbar. Allein mit so einer timecode-basierten Auto-Transkript-Funktion könnte das Radio seine Reichweite im Internet vervielfachen und völlig neue Zugänge zu seinen Inhalten bereitstellen. Vorstellbar wäre eine Suchmaschinenanfrage, deren Textausschnitt per Link direkt zur gewünschten/gesuchten Stelle im Radiobeitrag oder Podcast führt. Leider ist so ein Szenario noch Zukunftsmusik.

 

Private Podcasts liegen vorn

Ein Schritt in diese Richtung wurde allerdings bereits unternommen, und zwar von Machern privat produzierter Podcasts. Sie fügen ihren im Internet veröffentlichten Hörstücken nicht nur eine übliche Inhaltsangabe sondern auch Kapitelmarken bei. Sendungen werden mit Zwischenüberschriften in Abschnitte aufgeteilt, die komplett oder einzeln angehört und verlinkt werden können. Solche Kapitelmarken strukturieren die Audioinhalte und machen den Einstieg und die Orientierung für die Hörer einer Sendung leichter. Ein weiteres Beispiel liefern die “Shownotes”, eine kollektiv organisierte Plattform im Internet, deren Mitglieder Radio- und Podcastinhalte in Textabschnitte zusammenfassen, Aussagen transkribieren, Begriffe verlinken und damit eine detaillierte Strukturierung des Audio-Inhaltes vornehmen.

 

Audio-Web und Web-Audio

Die beste Struktur ist wertlos, wenn sie nicht geteilt werden kann. Auch im Jahr 2015 ist und bleibt das größte Problem des netzbasierten Hörens die fehlende Einbettung. Audio wirkt wie ein Fremdkörper im Netz, den man vor dem Hören mit zusätzlichen Programmen einfangen und bändigen muss. Der beste Beleg dafür ist der Begriff “Podcatcher”, so werden Programme genannt, mit deren Hilfe man Audioinhalte aus dem Internet auf einem Smartphone suchen, abonnieren, downloaden - also “einfangen” - und anschließend hören kann. Eine Ausnahme bildet der Dienst Soundcloud, der das von Youtube bekannte Embedding denkbar einfach auf Audio übertragen hat. Die in Berlin ansässige Firma bietet neben einem Netzwerk- und Streaming-Dienst in erster Linie einen leicht zu teilenden und weitestgehend plattformübergreifenden Player in audio-affiner Hüllkurvenoptik. Leider ist der virtuelle Abspielknopf aus Radiomachersicht das einizige, was die Firma wirklich gut macht.

 

Auf der Soundcloud-Architektur basiert auch das experimentelle Angebot SoundCite, das Texte im Internet mit Audioinhalten verknüpft. SoundCite verwandelt verlinkte Wörter oder Textpassagen in einen Audioplayer, der korresponierende O-Töne, Interviews oder andere passende Audioinhalte direkt in den Text einbindet. So wird das geschriebene Wort um eine auditive Ebene erweitert. Einen umgekehrten und ebenso interessanten Weg beschreitet das Wiener Startup Tonio. Hinter dem Motto “Ton mit Information” verbirgt sich die Idee, in eine Audiodatei für Menschen nicht hörbare Töne/Frequenzen zu kodieren, die von einer App im Smartphone erkannt und dekodiert werden. Tonio will so Radioinhalte oder Podcasts mit Informationen aus dem Internet anreichern, die genau in dem Augenblick auf dem Display des Smartphones oder Tablets erscheinen, während man eine Sendung hört. Die Idee ist gut aber die Radiowelt noch nicht bereit. Das Konzept leidet am Henne-Ei-Problem: Für Nutzer macht die App nur Sinn, wenn Audioproduzenten auf das System setzen. Für Sender und Podcaster macht der Dienst nur dann Sinn, wenn eine entsprechend große Nutzerschaft und Verbreitung der App existiert.

 

Anstatt immer wieder neue Apps und Dienste zu entwickeln, auszuprobieren und einzubinden, wäre es an der Zeit sich um Standards zu kümmern, um die bestehenden Konzepte und Ideen technisch vereinbar zu machen und plattformübergreifend gestalten zu können. Genau hier wäre ein Engagement des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks wünschenswert, der seine Mittel zur Weiterentwicklung der audiobasierten Infrastruktur im Internet ebenso motiviert angehen könnte wie er es im Bereich DAB/DAB+ macht. Leider ist dahingehend bisher nichts zu erkennen. Ganz im Gegenteil. Deutschlandradio-Intendant Willi Steul etwa sieht im Internet keine Zukunft für das Radio, da der Betrieb für Sender und Empfänger zu teuer sei. Dass Radio im Internet nicht gleichbedeutend mit einer linearen Programmgestaltung im Sinne eines Livestreams sein muss, wird bei diesem Argument ausgeblendet - und dabei wird übersehen, dass die Zukunft des Radios im Internet schon längst begonnen hat.



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