Kleine Mikrofonfibel

Welches Mikrofon für welchen Ton?

Wenn eine Aufnahme enttäuschend klingt, hat das in vielen Fällen mit dem falschen Mikrofon zu tun. Ein Mikrofon wandelt Schallwellen in elektrische Signale um. Mängel, die bei dieser Umwandlung - sprich bei der Aufnahme - entstehen, können später nicht mehr behoben werden. Die folgende Übersicht soll Ihnen helfen, solche Fehler zu vermeiden. Man unterscheidet Mikrofone zunächst nach dem Grad ihrer Richtwirkung, das heißt danach, wie sehr Schall von vorne gegenüber Schall aus seitlichen oder rückwärtigen Richtungen "bevorzugt" wird.

Kugelmikrofone

Mikrofone mit kugelförmiger Richtcharakteristik, in der Radiosprache „Kugeln“ genannt, haben keine Richtwirkung, sie nehmen Schall aus allen Richtungen auf. Darüber hinaus haben Kugeln weitere, für Reporter günstige Eigenschaften: Sie haben eine sehr straff gespannte Membran. Deshalb sind sie weniger empfindlich für Hand - und Kabelgeräusche und weniger anfällig für Windstörungen im Freien. Wichtig ist auch, dass sie bei sehr kleinen Sprechabständen (etwa fünf Zentimeter Abstand zwischen Mund und Mikrofon) weit weniger zu Poppstörungen neigen als vergleichbare Nierenmikrofone . Aus diesen Gründen sind Kugeln robuste, bewährte Reportermikrofone. Kugeln übertragen auch tiefe Töne sehr gut und vermitteln so oft die »Wucht eines Ereignisses« am besten. Sie klingen sehr nah an der Schallquelle ebenso natürlich wie in großer Entfernung. Aufgrund dieses konstant homogenen Klanges und der fehlenden Richtwirkung geben Kugelmikrofone Entfernungen und Räume am naturgetreuesten wieder. Aber Vorsicht: Kugelmikrofone konzentrieren sich nicht auf Ihren Gesprächspartner. Außerhalb des Nahbereichs einer Schallquelle, also zum Beispiel zu weit vom Mund entfernt platziert, nehmen Kugeln den Raumhall und alle Störgeräusche mit auf. Dieser Nachteil kann auch zum Vorteil werden: Kugelmikrofone eröffnen Ihnen die Chance zu wunderbaren atmosphärischen Aufnahmen, die ? zusätzlich zu den Worten Ihrer Gesprächspartner ? die akustische Szene in ihrer ganzen Tiefe abbilden.

Nierenmikrofone

»Nieren« sind gerichtete Mikrofone. Sie nehmen vor allem von vorne kommenden Schall auf. Von den Seiten oder von hinten kommender Schall wird schwächer übertragen. Mit zunehmender Richtwirkung spricht man von Supernieren oder Hypernieren. Aus physikalischen Gründen haben Richtmikrofone einen so genannten »Nahbesprechungseffekt«. Bässe werden umso stärker aufgenommen, je näher das Mikrofon der Schallquelle ist. Ein Nierenmikrofon, das für Aufnahmen über große Entfernungen konzipiert ist, klingt daher bei Nahbesprechung unangenehm basslastig („dick“). Ein spezielles, für Sprechabstände von wenigen Zentimetern konzipiertes, so genanntes Nahbesprechungsmikrofon klingt dagegen in größerer Entfernung zur Schallquelle flach, weil die Bässe fehlen. Nahbesprechungsmikrofone eignen sich nicht für Interviews. Ihre Gesprächspartner würden wohl zurückweichen, wenn Sie ihnen ein Mikrofon so dicht vor den Mund hielten. Außerdem klängen ihre Stimmen unnatürlich überzeichnet und blieben ohne Raum und Umgebungsgeräusche. Nahbesprechungsmikrofone werden von Sängern und Moderatoren auf der Bühne verwendet, sind auch nicht für leise Töne geeignet. Nierenmikrofone für Reporter (zum Beispiel das MD 421 von Sennheiser oder beyerdynamic M 59) haben bei einem Abstand von etwa 20 Zentimetern zur Schallquelle einen ausgewogenen Klang. Für andere Abstände muss der Bassanteil im Studio angeglichen (gefiltert) werden. Wenn man mit Nierenmikrofonen richtig umgeht, trägt der Nahbesprechungseffekt zu einer sonoren, voll klingenden Stimme bei. Nieren haben eine elastische, nachgiebige Membran und sind daher anfällig für Wind- und Poppstörungen und auch für Hand- und Kabelgeräusche . Die besten Nierenmikrofone für den Reportageeinsatz haben deshalb weich gelagerte Mikrofonkapseln, die solche Störfaktoren abdämpfen. Meist erreichen sie aber nicht die Robustheit von Kugelmikrofonen . Nieren und vor allem die noch stärker gerichteten Supernieren sollten Sie sorgfältig auf die Schallquelle ausrichten, denn Schall aus seitlichen und rückwärtigen Richtungen erfährt bei diesem Mikrofontyp neben der Dämpfung eine hörbare Klangverschlechterung. Für die Praxis heißt das: Nicht seitlich ins Mikrofon sprechen.

Richtrohrmikrofone

Film und Fernsehen sind die Domäne der Richtrohrmikrofone. Dort ergeben sich oft sehr große Mikrofonabstände, weil die Mikros nicht im Bild zu sehen sein sollen. Richtrohre haben, mit zunehmender Länge, eine noch stärkere Richtwirkung als Nierenmikrofone und rücken der Schallquelle akustisch noch ein Stück näher. Um Tierstimmen in freier Natur auch aus größerer Entfernung aufnehmen zu können, werden Richtmikrofone mit mehr als einem halben Meter Länge verwendet. Sie müssen exakt auf die Schallquelle ausgerichtet werden (man muss genau »zielen«), da sie seitlich eintreffenden Schall erheblich dämpfen und häufig auch im Klang verfärben.

Quelle:

Mit dem Mikrofon vor Ort. Ratgeber für gelungene Mikrofon-Aufnahmen. Von Wolfgang Rein, Toningenieur beim Südwestrundfunk

Professionelle Mikrofone

Lauschangriff mit feinen Ohren