Radio des Widerstands

Über die Anfänge des griechischen Hörfunks

Eine betörende Flötenmelodie und ein paar atmosphärische Schafsglocken im Hintergrund, so begann im Jahr 1923 die Geschichte des griechischen Hörfunks. Die ersten Worte, die über Mittelwelle 728 Mhz für die Griechen nach diesen Klängen zu hören waren, lauteten: „Hier ist die Radiostation Athen.“ Auf viele Hörer konnten die griechischen Radioleute zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht hoffen. Die griechische Hauptstadt Athen hatte gerade mal 500 Tausend Einwohner und nur 500 Haushalte konnten sich, die damals nach heutigem Maßstab, als monströs zu bezeichnenden Radiogeräte, leisten. Zudem wurde ein nur sehr kurzes Nachrichtenprogramm gesendet. Von 18:30-20:30 Uhr. Weswegen das Ganze auch Abendradio genannt wurde. Das Senden am Abend machte Sinn. Es sollten nach Möglichkeit alle potentiellen Hörer nach ihrer regulären Arbeitzeit die Möglichkeit erhalten, aktuelle Nachrichten mitzuverfolgen. - Ein Radio mit Geburtswehen. Denn es war zunächst einmal nur im Großraum Athen zu empfangen. Bis ein Sender im nördlichen Thessaloniki entstehen konnte, vergingen weitere fünf Jahre. Das „Radio Tsingiridis“ entstand erst 1928, mit einer Sendereichweite bis zur äußeren Stadtgrenze.       Was den unabhängigen Journalismus in Griechenland anbetrifft, nun, der ließ gebürig auf sich warten. Was dies bedeutete, das haben die damaligen Hörer schon sehr bald zu spüren bekommen. Als der ehemalige griechische General, Ioannis Metaxás, 1935 die Monarchie mit diktatorischen Mitteln einführte und bei den Parlamentswahlen 1936 als Vertreter der unbedeutenden „Freisinnigen Partei“, zum Verteidigungsminister ernannt wurde, machte ihn kurze Zeit später König Georg II. zum Regierungschef und zum Außenminister. Vor allem aber besaß Metaxás hervorragende Beziehungen zu Deutschland. Mit Hilfe von Telefunken, die er schon kurz nach seiner Amtseinführung unter Vertrag nahm, gründete der Militarist Metaxás 1936 den 3. Staatssender zum Zweck der Ausübung einer gezielten politischen Propaganda. Als der griechisch-albanische Krieg begann, sendete „sein“ Staatssender den 1. Kriegsbericht am 28. Oktober 1940. Dieser 1. Kriegsbericht war jedoch getürkt: Obwohl die Stimme des Nachrichtensprechers, Kostas Stavropoulos, zu hören war, hat er diesen Bericht selbst niemals abgegeben, bestätigte dieser später. Stattdessen habe eine unbekannte Person unter seinem Namen über den Widerstand des griechischen Heers in den griechisch-albanischen Bergen berichtet, erklärte er.       Als die deutsche Wehrmacht im April 1940 in Griechenland einmarschierte hatte sie somit ein leichtes Spiel. Sehr rasch okkupierte sie den griechischen Staatsender und benannte ihn zu „Deutscher Sender“ um. Noch in letzter Minute konnten die griechischen Journalisten eine wichtige Nachricht verkünden: „Ihr Griechen, ab heute ist der Sender deutsch und die Nachrichten unwahr. Bitte nicht hören.“   Die Griechen boykottierten den Sender der Deutschen. Hingegen wurden aus Kairo und London Frequenzen für die Griechen freigeschaltet, in denen sie heimlich Auslandsnachrichten verfolgen konnten. Aus purer Verzweiflung heraus, ließen die Deutschen 1944 bei Hausdurchsuchungen 43 Tausend Radios sperren, in dem sie die Messumformer aus den Geräten entfernten, damit nur noch der deutsche Sender gehört werden konnte. Der deutsche Sender hatte unter anderem den Auftrag, den Griechen die deutsche Sprache beizubringen. Zeugenberichten zufolge hatte kein eiziger Grieche aus dieser Sendung auch nur ein einziges deutsches Wort gelernt.       Eine Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet ein Mann der dt. Wehrmacht viele griechische Kollegen vor dem Tod retten sollte. Dem Österreicher Eberhart Wichenbach war zum damaligen Zeitpunkt der Posten des Direktors im deutschen Sender in Athen angetragen worden. Aber der Mann war noch viel mehr, als ein simpler Direktor. Zeitzeugen charakterisierten ihn als Philhellenen und als äußerst fähigen Musikfachmann. Er rettete nicht nur Musikern des damaligen Radioorchesters das Leben, weil diese nicht nur die erwünschte spanische Musik spielten (aus angeordneter Solidarität zu Franco), sondern auch amerikanische. Der Österreicher Wichenbach war auch für die Freilassung vieler Techniker des Senders verantwortlich gewesen, die im August 1944 den ersten Bericht der griechischen Widerstandskämpfer über den Äther zuließen und anschließend dafür verhaftet wurden. Und wieder war es Wichenbach, der im Oktober 1944 die Zerstörung aller Antennen kurz vor dem Abzug der Deutschen aus Athen verhinderte.       So war es fast schon, wie eine moralische Verpflichtung für die griechischen Radioleute gewesen, dass sie Eberhard Wichenbach versteckten, als dieser von der deutschen Wehrmacht für diese Taten gesucht wurde. Später nahmen ihn allerdings die englischen Allierten fest. Er wurde kurzzeitig in ein Konzentrationslager nach Afrika deportiert. Doch das griechische Radio sollte zum Zufluchtsort des ehemaligen österreichischen Wehrmachtssoldaten werden. Nach dem Krieg erhielt Wichenbach eine Festanstellung bei ERT 1. Er ist bis zu seiner Pensionierung für die Studioaufnahmen des ERT-Orchesters zuständig gewesen.       Von 1945 bis 1967 folgte eine Blütezeit für den griechischen Hörfunk: Es entstanden Kindersendungen, Serien, Hörspiele, Theaterstücke, Film- und Literatursendungen. Und der erste griechische Ü-Wagen, ein veralterter, umgebauter Militärtransporter, den Journalisten und Technicker sogar einen Namen gaben: „Marmaró“ übertrug die Sendung „Das Microphon von der Strasse“, in der die Bevölkerung zum ersten Mal über ihre Sorgen und Nöte sprechen durfte. Direkt und unverblümt. 1946 fand dann auch die erste Fußballübertragung statt. Anfang der 50er Jahre entstanden die ersten Radio-Talkshows und man gründete sogar die erste griechische Talentshow, in der unter anderem auch Nana Mouskouri vor ihrem großen internationalen Durchbruch, dreimal durchfiel. Ebenso wurden in dieser Zeit langandauernde und beliebte Sendungen mit Volks- und klassischer Musik geboren. Aber noch ohne, die uns heute weltweit bekannten, Bouzoukiklänge. Diese galten damals noch bei der griechischen Mittelschicht, als äußerst unbeliebt, um nicht zu sagen, sie waren gänzlich verpönt.   Als am 21. April 1967 die griechische Militärdiktatur die Macht ergriff, wird aus dem kulturell blühenden griechischen Radiosender ein sprichwörtliches Soldatenlager. Der Sender wird durch die Militärs besetzt und rund um die Uhr bewacht. Die Angst vor der Macht des Radios war groß.   Erst nach dem Fall der Obristen kehrt der Komponist Manos Hatzidakis ins griechische Radio zurück. Und läutet damit fast schon eine Kulturrevolution in Griechenland ein, von der die griechische Radiolandschaft vermutlich bis heute noch zehrt.