Warum wir gehen

Feature von ja_meister

Dauer: 4:03 Minuten

Audio-Nr: #3049

Inhalt: Woher kommt der Mensch, wohin geht er? Sicher ist nur, wie er geht – nämlich zu Fuß. Doch immer mehr Technologien machen unsere Beine überflüssig und unser Leben geschmeidig. Eine akustische Spurensuche in der (europäischen) Kulturgeschichte des Gehens.

Ereignis Ort: Europe
Skript: [Geräusch eines EKGs, das unregelmäßig wird] Autor: Wenn ein Herz unrhythmisch schlägt, kann eine Operation ihm helfen. Ein Herzschrittmacher bringt es wieder in Takt. [Das Herz schlägt wieder regelmäßig] Autor: Ein Herz_schritt_macher – dabei schreitet das Herz gar nicht. Kaum eine Tätigkeit hat so viele Sprachbilder geschaffen wie das Gehen: Eingang, Untergang. Aufstieg. Ablauf, Fortschritt. wie läufts?, meinem Herzen geht es gut. [Schnitt, Waten durch eine Flusslandschaft. Vogelzwitschern, Bachlauf im Hintergrund.] Autor: Laut der Uferhypothese lernte der Mensch das zweibeinige Gehen, um sich in seichten Gewässern bewegen zu können. Hier, in der Uferzone, gab es am meisten zu jagen, fischen und sammeln. Im aufrechten Gang sind die Hände frei für Werkzeug und Waffen – der Siegeszug der Menschen begann. [Das Geräusch des Watens wird zu einem Marschieren] Autor: [lauter] Mit seiner Phalanx unterwirft Alexander der Große halb Asien und die Legionen Roms durchqueren Europa. Die Anführer sitzen zwar auf Pferden. Aber die Masse marschiert. [normal] Und dann: [Eisenbahnsignal] Autor: die Eisenbahn. [Eisenbahn stampft vorüber] Autor: Die Welt wird schneller. Und die Bewegungen flüssiger. Wer Geld hat, kauft sich ein Automobil. [Verkehrgeräusche] Autor: [laut] Als Hans Scharoun das Kulturforum in Berlin entwirft, setzt er die Gebäude außergewöhnlich weit auseinander. In Zukunft, glaubt er, wird niemand mehr zu Fuß gehen – alle fahren mit dem Auto direkt ans Ziel. [zu den bestehenden Geräuschen kommen immer mehr der unten aufgeführten Gerätschaften. Flugzeuge etc.] Zitat: Vielleicht ist das Gehen die allertrivialste, also menschlichste Geste. Autor [verfremdet]: Der Philosoph Roland Bartehs. Zitat: Jeder Traum, jedes Idealbild, jeder soziale Aufstieg erübrigt als erstes die Beine. Autor: Je weniger wir gehen müssen, umso zivilisierter fühlen wir uns. Wir bauen Aufzüge, Rolltreppen und an Flughäfen sogar Bänder, auf denen wir durch Gänge fahren. Mit einem Segway Personal Transporter können wir rollend die Stadt erkunden. Unsere Bewegungen werden flüssiger – wenn wir das Geld dazu haben. [ruhiges Gehen, Kies] Autor: Ab und zu gehen sie dann doch, jene, die sozial aufgestiegen sind. Zum Beispiel: den Jakobsweg. Oder: über den roten Teppich. Oder: auf einem Fitnesslaufband. Solange es nicht der Mobilität dient, wird das Gehen weiter gepflegt: Der Marathonlauf erinnert an den griechischen Ursprung unserer Kultur. Und wenn Politiker spazieren, beweisen sie, dass sie doch Mensch geblieben sind. Das Gehen erscheint als die Wurzel des Menschlichen. Aber es sind Referenzen an eine vergangene Zeit. [Schritte hören auf] Autor: Heute gibt es kaum noch Wege, die wir gehen müssen. Unser Leben ist einen Schritt weiter … Es ist sehr geschmeidig geworden.
Upload Datum: 10.04.2016

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Dokublog Autor ja_meister

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O-TonZitat Roland Barthes10.04.2016
O-TonSprechertext10.04.2016
FeatureWarum wir gehen10.04.2016