Risiken und Nebenwirkungen.

Radiowerbung in Polen.

Polen sind krank – zumindest wenn man der Radiowerbung glaubt: Die Alten haben Laktoseintoleranz „Seit einiger Zeit fühle ich mich immer so schlecht, nachdem ich Milch getrunken habe“; das Kind leidet an Appetitlosigkeit „Hat ihr Sohn heute sein Abendbrot schon wieder stehenlassen?“ und die Frauen haben sowieso alle Übergewicht „Seit der Geburt, passt keine Hose mehr“. Aber zum Glück gibt es ja Tabletten. Frei verkäuflich. Und gegen fast jedes Wehwehchen.

Es gibt keine Volkskrankheit und das dazugehörige Medikament, die ihren Weg nicht in die Radiowerbung schaffen. Tatsächlich lieben Polen Nahrungsergänzungsmittel sowie Pillen gegen Verstopfungen, Vergesslichkeit oder Kopfschmerzen. Und tatsächlich verdienen polnische werbefinanzierte Radios am meisten Geld mit Medikamentenspots. Es sind Milliarden. Und in Polen wächst dieser Markt jedes Jahr weiter.


Doch kaufen die Polen so gerne frei verkäufliche Pillen, weil so viel dafür geworben wird und sie von der Werbung verleitet werden? Ich glaube nicht. Vielmehr doktert der Pole – genauso wie der Deutsche auch - lieber selbst mit Eisentabletten herum, bevor er sein Blut vom Arzt untersuchen lässt. In Polen macht er das aber auch, weil er selbst bei einer Diagnose „Eisenmangel“ eines Profis und dem dazugehörigen Rezept in der Hand, die Tabletten selbst bezahlen müsste. Denn hier werden nur in wenigen Fällen selbst verschreibungspflichtige Medikamente von der Krankenkasse bezahlt.


Mein Nahrungsergänzungsmittelvorrat und Kopfschmerztablettenkonsum erhöht sich übrigens nicht, wenn ich in Polen bin. Die Radiowerbung ist für mich kein Kaufanreiz, sondern reines Sprachtraining: Mein Wortschatz hat „Übergewicht“, „Verdauungsstörung“ oder „Spliss“ den ungeliebten Minuten vor den Nachrichten zu verdanken.