Das Radioprogramm, das ich im Küchenradio eingestellt hatte, outete mich als hörfunktechnischen Spanien-Neuling. „Wenn du kritische Interviews hören und wirklich wissen willst, was passiert,darfst du doch nicht den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hören“, sagte meine Bekannte und drehte am Knopf. Die Episode liegt zwar schon ein paar Jahre zurück, hat aber immer noch – oder besser wieder – ihre Gültigkeit. Der spanische Rundfunk RTVE steht unter der Fuchtel der Regierung, im Interview mit Ministern und Regierungsverantwortlichen zeigen sich die Journalisten extrem handzahm, kritische Nachfragen gibt es kaum. Seit der konservative Premier Mariano Rajoy an der Macht ist, weniger denn je.
Einer der Gründe: Rajoy kassierte nach seinem Wahl 2011 die Reform seines Vorgängers, die zu mehr redaktioneller Unabhängigkeit geführt hatte, stillschweigend wieder ein. Intendanten werden seither mit einfacher parlamentarischer Mehrheit eingesetzt, im Rundfunkrat sitzen ausnahmslos Politiker. So kann die Regierung mitbestimmen, wer Abteilungsleiter, wer Chefredakteur/in wird (tatsächlich ist unter den Programmverantworlichen eine Frau – zuständig für Kultur) und hat so direkten Einfluss auf die Programmgestaltung. Hörbar wurde das vor allem im letzten Jahr, als nicht nur in Kommunen und autonomen Regionen sondern auch – in einem ersten, gescheiterten Anlauf – das spanische Parlament gewählt wurde. Sozialproteste, die Empörten und die neue Partei Podemos, die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien: all das fand im öffentlich-rechtlichen Rundfunk kaum oder nur unter einem bestimmten politischen Blickwinkel statt. Das Resultat: Die Hörerzahlen sinken kontinuierlich.
Mehr noch als das Radio leidet das Fernsehen unter der aufoktroyierten Parteilinie. Da wurde der Aufmacherbericht über den Finanzskandal um schwarze Konten bei der konservativen Volkspartei PP auf Anordnung des Chefs auf 20 Sekunden eingedampft – trotz vehementer Proteste der Redaktion. Im April letzten Jahres protestierte die Belegschaft gegen diese Politik in Brüssel, vergeblich. Kein Wunder, dass private TV- und Radiosender sich über Zuwächse freuen.
Das schlechte Image des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat sich auch auf mein Verhalten abgefärbt. Früher habe ich mich, wenn ich in Spanien Interviews anfragte, als freie Journalistin für den „öffentlich-rechtlichen deutschen Sender xy – so wie RNE oder RTVE“ vorgestellt. Inzwischen lasse ich den Vergleich weg. Ein Türöffner ist er nicht.