Für meinen Schwiegervater gab es nur eine richtige Art Fußball zu gucken: Den Lautstärkeregler am Fernseher auf Null drehen – und das Radio einschalten. Denn die Bilder haben allein informativen Wert, die Emotion kommt aus dem Transistor – und um letztere geht es nun mal. Vor allem natürlich, wenn ein Tor fällt. Die – gefühlten – minutenlangen „Gooool“-Rufe aus dem spanischen Radio kennt jeder, der irgendwann einmal zur Fußballsaison auf der iberischen Halbinsel war. Der Tor-Schrei bzw. - so die korrekte Bezeichnung – der Torgesang stammt zwar aus Brasilien und wurde da angeblich 1946 vom Reporter
Rebello Júnior eingeführt. Aber Spaniens Radiomoderatoren haben es diesseits des Atlantiks immerhin zu einer europäischen Meisterschaft im „Tor singen“ gebracht. Ihre „Gool“-Rufe changieren zwischen orgiastischem Brüller, und 30-Sekunden-Arien, gerne auch durchsetzt und unterbrochen von spontaner Kurz-Poesie zu Ehren des jeweiligen Tor-Schützen oder Vereins. Ein paar besonders schöne (wenn auch nicht ganz aktuelle) Beispiele gibt es
hier.
Gut zu sehen ist in dem Zusammenschnitt auch, wie die klassische spanische Fußballberichterstattung funktioniert: ein Haupterzähler, der das Spiel reportiert und dem natürlich auch das Privilig des „Tor singens“ zufällt, daneben ein Experte für Spielverlauf, Einwechslungen und Co und einer für Statistiken, Kontext und das Drumherum. Dazu kommen dann noch die Reporter am Spielfeldrand und in der Mixed Zone. Was den Haupterzähler, den „narrador“, betrifft: Der braucht nicht nur einen langen Atem, eine gute Modulation, sondern vor allem Leidenschaft – und die ist immer parteiisch.
Darin sind Spaniens Fußballreporter besonders gut. Entweder das Herz schlägt für FC Barcelona oder Real Madrid, daneben findet meist auch noch eine Zweitliebe Platz. Wer den „Locutor“ mit Namen kennt, weiß auch, für oder von welchem Verein er ist. Das kann nervig sein, sorgt aber natürlich für den emotionalen Extra-Kick. Wer am Rande eines Nervenzusammenbruchs reportiert, klingt einfach mitreissender als jemand, der dem Ergebnis des Ballgebalges eher indifferent gegenübersteht. Auch – oder gerade – wenn man die Leidenschaft des Reporters für den ein oder anderen Verein nicht teilt. Natürlich gilt es die Emotion abhängig vom Charakter des Spiels zu dosifizieren: ein Real-Madrid-Tor beim Liga-Auftakt gegen einen Aufsteiger wie, zum Beispiel, CD Leganés ist natürlich nichts im Vergleich zu jeder Bewegung beim großen Clásico.
Erfahrene Torsänger empfehlen, einen Tag vor dem Spiel keinen Alkohol mehr zu trinken und auf Kaffee zu verzichten. Ist auch nicht nötig. Adrenalin macht sowieso wacher.