Radioforschung: Keine Lücke, aber Nische

22.01.2014

Am Mittwoch der vergangenen Woche war das erste Treffen unseres „Radiostammtischs“ in Hamburg. Wir, dass sind Kommunikations- und Medienwissenschaftler in Hamburg, die ein besonderes Faible für das älteste elektronische Massenmedium, das Radio, haben. Wir sind aktive Radioforscher. Es gibt uns also! Trotzdem war eines unserer wichtigsten Themen an diesem Abend, warum das Radio in der Forschung so wenig beachtet wird. Paradox: Wir Radioforscher lamentieren untereinander darüber, dass das, was wir tun eigentlich nicht stattfindet? Warum machen wir das? „Radioforschung“ im Sinne von Markt- und Mediaforschung gibt es natürlich in großem Maße. Aber wie steht es mit akademischer Radioforschung?Das ist kein Lamento aus dem Stegreif, sondern eines mit recht langer Tradition. Vielleicht ist es schon zu einer Art Parole unter Radioforschern geworden. Wie kommt es zu dieser Selbstwahrnehmung? Das Radio ist alt, es wurde vor 90 Jahren geboren. Die Bezeichnung „Dampfradio“ hat eine nostalgisch-verklärende und zugleich leicht angestaubte Anmutung. Nach einer Pionier- und Experimentalphase erlebte es seine Hochphase von den 1930er bis 1950er Jahren. Die 50er gelten gar als das „Radiojahrzehnt“ oder die „Golden Days“. Das Radio hat (zumindest in Deutschland) bei vielen Menschen ein schlechtes Image als „Klangtapete“ oder „Dudelfunk“ (-> http://www.frank-schaetzlein.de/texte/dudelfunk.htm ) und wurde von der akademischen Forschung tatsächlich lange vernachlässigt. War es in den „Golden Days“ noch Forschungsgegenstand von Pionierstudien in der Mediennutzungs- und Medienwirkungsforschung z.B. von Gordon W. Allport, Hadley Cantril, Hazel Gaudet, Herta Herzog und Paul F. Lazarsfeld, so wurde es in der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit später systematisch durch das neue Medium Fernsehen verdrängt (dem nun das gleiche Schicksal in Konkurrenz mit dem Internet droht). Beide Zuschreibungen (Alter und Image) machen das Radio für den Großteil der Kommunikations- und Medienwissenschaftler zu einem uninteressanten Medium, dabei hängen beide Punkte eng zusammen. Diese Vernachlässigung hatte zur Folge, dass sich Programmverantwortliche bei der Planung nicht auf akademische, unabhängige Forschungsergebnisse stützen konnten. Einzig die Nutzung der Programme ist durch die kontinuierliche Arbeit der Media Analyse gut dokumentiert. Auch die Entwicklung der privat-kommerziellen Radiolandschaft ist durch die Programmbeobachtung der Landesmedienanstalten nachvollziehbar. Nach der Einführung des dualen Rundfunksystems in der Bundesrepublik Deutschland in den 1980er Jahren hat die empirische Forschung zum Hörfunk wieder leicht zugenommen. Jedoch kann man erst Ende der 1990er Jahre von einer Renaissance der Radioforschung sprechen. Zu dieser Zeit erkannten einige Kommunikations- und Medienwissenschaftler, dass das Radio (1) sich entgegen aller Vorhersagen anhaltender Beliebtheit bei den Hörern erfreute. Nach einem kurzen Einbruch Ende der 1960er bis Mitte der 1970er behauptete es sich bis heute zusammen mit dem Fernsehen als beliebtestes Medium. (2) Zudem hatte sich das Radio in der Zeit der Nichtbeachtung geradezu gehäutet. Es zeigt eine faszinierende Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit. Dieser Wandel vom Einschalt- zum Begleitmedium wurde allerdings nicht von allen Seiten begrüßt, sondern häufig kulturkritisch kommentiert. Trotz dieser Renaissance befindet sich Radioforschung (noch) in einer Nische. Dies zeigt sich z.B. daran, dass es in der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) zwar Fachgruppen sowohl für visuelle als auch für computervermittelte Kommunikation, aber nicht für auditive Kommunikation gibt. Dass es trotzdem Licht am Radioforschungs-Horizont gibt und dass RadioforscherInnen weder alt noch verstaubt sind, soll Thema der Fortsetzung dieses Radioblogs werden.

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