Vor einem Jahr, am 3. Oktober 2014, wurden die ersten beiden Folgen von
Serial veröffentlicht. Der Podcast dokumentierte in zwölf Folgen einen Kriminalfall, den Mord an einer Schülerin, und machte den möglicherweise unschuldig verurteilten Mitschüler zum Protagonisten. Bei den
Peabody-Awards wurde Serial als „audio game-changer“ ausgezeichnet und ist spätestens seitdem aus Diskussionen über das amerikanische Radio nicht mehr wegzudenken.
Serial ist mindestens Indiz für Veränderungen im US-Radio-Markt, in mancher Hinsicht hat der Podcast sicher selbst die Entwicklungen verstärkt oder sogar ausgelöst. Dazu gehört, dass
immer mehr Menschen Podcasts hören. Und, dass immer mehr Podcasts produziert werden. Und das führt zu einer Entwicklung, die noch vor kurzem kaum jemand für möglich gehalten haben dürfte: Radiomacher sind plötzlich begehrt auf dem Arbeitsmarkt.
Radiomacher werden abgeworben
„Vor ein paar Jahren waren wir noch froh über unsere unterbezahlten Jobs im Public Radio“, sagt Adam Ragusea, der den Podcast
The Pub über die Entwicklungen in öffentlichen Medien produziert. „Jetzt sind wir plötzlich von den Nerds auf dem Schulhof zu den beliebten Kids geworden.“ Tatsächlich hat das Public Radio der USA einige Radiomacher an privatwirtschaftliche Podcast-Produzenten verloren. Einer der bekanntesten Abtrünnigen ist Alex Blumberg, der für zwei der populärsten (und auch als Podcast beliebten) Sendungen, „This American Life“ und „Planet Money“, gearbeitet hatte. Jetzt führt er seinen eigenen Podcast-Sender mit 1,5 Millionen Dollar Startkapital. Das Unternehmen,
Gimlet Media, produziert zur Zeit drei Podcasts, die meist wöchentlich erscheinen. Zusammen sollen sie in diesem Jahr zwei Millionen Dollar Werbeeinnahmen generieren.
Nicht nur Startups produzieren professionell Podcasts, auch PR-Abteilungen von Unternehmen oder NGOs, Fernsehsender und Verlage.
Slate listet aktuell 17 selbst produzierte Podcasts auf seiner Seite auf, bei
Monocle sind es sogar 20.
Kreative Freiheit
Für Radiomacher gibt es also inzwischen viele neue Gelegenheiten zum Radiomachen außerhalb des Public Radios – und manche zahlen deutlich bessere Gehälter als das spendenfinanzierte Non-Profit-Radio es kann. Es seien die jungen Journalisten, die mit Technik umgehen könnten, die besonders gefragt seien, sagt Adam Ragusea. Wenn sie dem Public Radio den Rücken kehren, dürfte das ein herber Verlust sein. Um die Abwanderung zu stoppen, müssten sich die Sender verändern und „die jungen Talente machen lassen, was sie wollen und sie nicht zwingen old-school Sendungen zu produzieren“, sagt Ragusea. „Selbst bei bescheidenen Gehältern können wir sie glaube ich halten, wenn wir ihnen kreative Freiheit bieten.“
Dass das funktionieren kann, hat Serial schon bewiesen. Ohne dass klar war, was am Ende dabei herauskommen würde, hatten Sarah Koenig und ihr Team monatelang an dem Projekt gearbeitet, bevor die erste Folge erschien.