Serial und die Fiktion

09.10.2015

Wie im letzten Eintrag geschrieben, stellt der vor einem Jahr erstmals erschienene Podcast Serial einen Meilenstein für den Teil des Medienwandels dar, der das Radio betrifft. Dazu gehört auch, dass Serial bewiesen hat, dass man auch im Zeitalter von Youtube, Netflix und sinkender Aufmerksamkeitsspannen noch Millionen Menschen mit einer packend erzählten Geschichte allein über den Audio-Kanal fesseln kann. Storytelling, wörtlich: Geschichtenerzählen, war im Radio zwar auch schon vor Serial erfolgreich. In den USA verpacken vor allem die Sendungen This American Life und Radiolab seit vielen Jahren ihre Beiträge mit klassischen Storytelling-Techniken als mitreißende Abenteuer. Doch handelt es sich dabei stets um wahre Begebenheiten. Fiktion findet im amerikanischen Radio kaum Sendeplätze und auch Hörspiel-Podcasts gibt es nur wenige. More Drama Der Erfolg von Serial gibt auch dieser Form neuen Aufwind. Denn warum sollte eine Hör-Serie nur mit dokumentarischen Inhalten funktionieren? Die im Film populäre Form der Mockumentary müsste doch auch Fans finden, genauso wie andere Formen der Audio-Fiktion. Das belegt Welcome to Night Vale, eine Podcast-Serie über eine fiktive Stadt in den Südstaaten. Den Podcast gibt es seit 2012, doch innerhalb des vergangenen Jahres gewann er deutlich an Popularität. Fast 300.000 Follower hat der Twitter-Account der Sendung inzwischen, ihr Sprecher Cecil Baldwin tourte mit einer Live-Show durch Nordamerika, Australien und Europa, und in diesem Oktober erscheint das Buch zum Podcast. Mehr davon wollen die Radiojournalisten Ann Heppermann und Martin Johnson. Sie haben in diesem Jahr The Sarahs ins Leben gerufen, eine Auszeichnung für Audio Fiction, die dazu beitragen soll, das Genre zu fördern. Das Radio Drama, wie das Hörspiel auf amerikanisch heißt, hat ihrer Meinung nach auch im 21. Jahrhundert seine Berechtigung. Und sie belegen es auf der Website mit überzeugenden Beispielen, unter anderem aus dem Hörspiel-Podcast The Truth und von Kaitlin Prest vom Podcast The Heart. Bemerkenswert außerdem: The Sarahs betonen, dass ein Hörspiel nicht unbedingt eine halbe oder sogar eine ganze Stunde lang sein muss. Fiktion funktioniert auch in kurz. Der erste ausgeschriebene Wettbewerb prämiert Hörstücke, die zwei bis drei Minuten lang sind. Audible Originals? Mehr Fiktion zum Hören ist auch von Audible zu erwarten. So wie Serial von Fernsehserien inspiriert war, die Handlungsstränge über mehrere Episoden hinweg weiterführen, ist Audible von Netflix oder Amazon inspiriert, die zunächst Filme und Serien nur verbreiteten und mittlerweile auch selbst produzieren. Der zu Amazon gehörende Hörbuch-Shop ist anscheinend dabei, dieses Konzept vom visuellen Medium aufs Radio zu übertragen. Details sind allerdings noch nicht bekannt.   PS: Was in dem Text fehlt, ist natürlich Limetown: eine Audio-Mockumentary und irgendwie eine Mischung aus Night Vale und Serial. http://www.limetownstories.com/

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