Skopje: Das freie Radio „Kanal 103“

04.03.2016

Der Balkan ist eine Region, die reich an Skurrilitäten ist. Über die Jahre wundert man sich über manches immer weniger, aber das hier hat auch mich noch einmal ins Staunen gebracht: Seit 25 Jahren sendet in Skopje ein Radio ohne Lizenz – ein illegales Piratenradio also, wenn man so will. Und jeder weiß, wo sich die Redaktion befindet, nämlich auf einer Etage im Gebäude des öffentlich-rechtlichen MRT (Makedonska Radija Televizija).

Es war noch zu kommunistischer Zeit, als innerhalb des staatlichen MRT die Idee entstand, ein Radioprogramm für junge Leute zu starten. 1991 ging „Kanal 103“ dann auf Sendung; einfach so, ohne offizielle Lizenz. „Es sollte ja erst einmal nur ein Experiment sein“, erzählt Kostadin Shurbanovski, den hier alle nur Shurbe nennen. Doch aus dem Provisorium ist ein 24 Stundenprogramm geworden, das von 40 Menschen gestaltet wird. Jeder und jede kann im Prinzip mitmachen. Kanal 103 ist nicht nur das älteste freie Radio des Balkans. Es ist zugleich das einzige.   

2004 sollte es geschlossen werden. Doch das brachte über 5000 Leute auf die Straße, es wurde ein großes Solidaritätskonzert im Park veranstaltet und eine Petition aufgesetzt, die sich für den Weiterbetrieb des Radios einsetzte. Ist wirklich Geld das Problem, fragten die Redakteure, die bis dahin noch ein kleines Gehalt bekommen hatten. Nun gut, dann arbeiten wir eben ohne weiter. Am Ende wurden tatsächlich alle Gelder gestrichen, das Radio aber durfte weiterarbeiten – nun mit rein ehrenamtlichen Mitarbeitern. Der Status blieb weiter unklar. „Man hatte nicht den Mut, das Radio abzuschalten, will es aber auch nicht legalisieren“, sagt Shurbe. Also blieb alles wie es war: ein „illegaler“ Radiosender im Gebäude des öffentlich-rechtlichen Rundfunk.   

Das ist um so erstaunlicher, da Mazedonien ein Land ist, das seit einigen Jahren von einer national-konservativen Partei autoritär regiert wird. Medienfreiheit existiert zunehmend nur noch auf dem Papier. Könnte da ein freies Radio nicht eine wichtige Aufgabe erfüllen? Shurbe sagt: Wir wollen nicht Spielball der Politik sein. Das Radio war - und ist bis heute - vor allem ein Sender für alternative mazedonische Musik. Natürlich hätten die Moderatoren eine Meinung, auch manche Jingles haben eine klare Botschaft. In einem heißt es: „Aspirin für den Kopf, eine Bombe für die Regierung“. Aber das gelte für jede Regierung. Shurbe glaubt, dass fortschrittliche Musik schon für sich ein Akt des Widerstands in diesen düsteren Zeiten sein kann.   

Doch Kanal 103 hat Nachwuchsprobleme. Shurbe ist schon seit über 20 Jahren dabei, andere schon von Beginn an. Dass keine jungen Leute nachkommen, ist wohl auch eine Folge davon, dass die Bedeutung des Senders in den letzten Jahren stark abgenommen hat. Früher, sagt Shurbe, war es so: „Wenn Du jung warst und urban, hast Du Kanal 103 gehört.“ Es gab ja nichts anderes. Heute holen sich die jungen Leute ihre Musik vor allem und zielgerichtet aus dem Internet. Aber mit dieser Entwicklung, so Shurbe, hätten ja alle Radios zu kämpfen.