Trauerredner. Brösel. Film im Kopf II.

26. Oktober 2013

Mein neues Feature, über Trauerredner, läuft am 23. November 2013 auf DeutschlandradioKultur. Das ist mein Geburtstag. Die Koinzidenz, daß eine Sendung über den Tod an meinem Geburtstag läuft, begrüße ich gelassen. Vor ein paar Tagen habe ich das Stück Freunden vorgespielt. Ich hatte über ein Jahr an der Produktion gesessen und war immer wieder gescheitert. Ich hatte die Töne nicht zueinander bringen können, hatte keinen roten Faden gefunden, und mir war immer wieder jeder Zusammenhang der Töne zwischen den Ohren zerbröselt. (Nichts gegen Sendungen, die nach dem Prinzip der Fragmentarisierung funktionieren – aber das waren keine Fragmente mehr, das waren Brösel.) Wenn man mehrere Monate mit einem Stück zusammen, einem Stück gegenüber, an einem Stück sitzt, verliert sich irgendwann die Fähigkeit, beurteilen zu können, ob das alles noch funktioniert. Man hat das Ganze aufgenommen, man hat es geschnitten transkribiert, geordnet, umgeordnet, bedacht und verworfen. Irgendwann verliert man die Übersicht und es braucht Andere, Freunde, vielleicht sogar Feinde, um neue und objektivere Kategorien ins Spiel einzubringen. Beim Vorspielen scheint das Stück funktioniert zu haben. Aber ich war überrascht darüber. Nur Frau Fiedler hatte Bedenken: Zu viele Eingänge, sagte sie, zu viele Unwägbarkeiten, keine formulierbare „Aussage“: Was an sich nicht schlecht sei, aber. Da sei bei ihr zwar ein „Film im Kopf“ abgelaufen (schon wieder), aber einer, der sich (für sie) beinahe vollständig von der „Handlung“ des Features abgekoppelt habe. Wenn die Trauerredner sprächen über die „Macht der Hinterbliebenen“ und ihre Fähigkeit, das Leben des Verstorbenen „im Nachhinein zu deuten“: Habe sie an ihr eigenes Leben gedacht und an das ihres Vaters, das zu Ende gehen wird, nicht an den Hinterbliebenen, um den es in meinem Stück (irgendwie) geht. Schön wäre es, guten Gewissens behaupten zu können, daß das meine Absicht war. Kann ich aber leider nicht. Aber trotzdem wirft diese... nun gut: „Hörerfahrung“ ein neues Licht auf die „Film-im-Kopf“-Phrase. Denn wäre es die Aufgabe des Features (und meinethalben auch des Hörspiels) jeweils zugehörige Bilder im Kopf entstehen zu lassen, also „Illustrationen“ des Gehörten zu evozieren – dann wäre das doch arg flach (und setzte bloß eine handwerkliche Fähigkeit des Radiomachers voraus). Viel schöner (poetischer?) erscheint mir die Möglichkeit des Originaltonfeatures, die Phantasmen des Hörers vom Gehörten abzukoppeln und fliegen zu lassen. „Fremd im Elsass“ von Kaye Mortley ist so ein Stück, wo ich mir eben nicht den Portraitierten (Conrad Winter) vorstelle, nicht die Männer, die in einer Kneipe elsässische Lieder singen – sondern ein „Air“, eine „Farbe“.... oder sogar gänzlich andere Bilder im Kopf habe. Und wenn ich als „Macher“ des Ganzen ab einem gewissen Punkt nicht mehr zuständig bin, für das, was hörbar wird.

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