Vielstimmiger Monolog II - Hören

14.03.2015

Auf Tablets und Smartphones, also in Zusammenarbeit mit diversen Apps, die ein durch Fingerberührung aktivierbares Sensorium steuern, bzw. von diesem gesteuert werden, die Bilder, Visualisierungen und eben Ton zusammenführen - in diesem Umfeld wird der Daumen zu Nietzsches drittem Ohr. Soundcloud, das wir seit ein paar Jahren für Litradio einsetzen, hat seinen Audioplayer sowohl für den Browser wie auch für mobile Betriebssysteme im Laufe der Zeit komsequent als visuelles Erlebnis weiterentwickelt. Nicht länger ist da nur ein Knopf, ein Playersymbol, das man anklicken kann, um Sound abzuspielen. Eine minimalisierte Hüllkurve kam hinzu, die mit einem Blick den abspielbaren Ton als Ganzes wahrnehmbar werden ließ, definiert durch seine Lautheit und durch seine Dauer. Eine Dauer zudem, die nicht nur hingenommen werden muss, sondern in die man eingreifen kann. Man kann durch einen Klick an jede beliebige Stelle vor und zurück springen. Und man kann durch einen Klick an den unteren Rand dieser Hüllkurve nicht nur den Abspielpunkt definieren, sondern an diesem Punkt einen Kommentar hinterlassen, der personalisiert und mit einem Zeitstempel versehen ist. Andere Nutzer können diese Kommentare ebenso sehen und lesen und wiederum eigene hinzufügen. Das Hören wird also nicht nur ein interaktives Erleben, sondern dann auch immer ein Lesen. Der Ton selbst wird nicht verändert, aber er wird in einen sozialen Kontext versetzt, der seine Rezeption deutlich beeinflussen und verändern kann.

Soundcloud wird in absolut überwiegendem Maß von Musik, nicht von gesprochenem Wort, Feature oder Hörspiel bestimmt. Helmut Kopetzky hat schon vor Jahren die Frage gestellt, ob sich dramaturgische Rezepturen aufgrund der Verfügbarkeit im Netz ändern müssen. Konkretisiert auf das Beispiel des Soundcloud-Players, dessen Hüllkurvendarstellung mittlerweile durch Hintergrundbilder noch ein weit stärkerer visueller Reiz hinzugefügt wurde, und die damit einhergehende Hör- und Interaktionspraxis, ließen sich zahlreiche dramaturgische, erzählerische, kompositorische Strategien vorstellen, die auch eine Produktionsperspektive reflektieren. Die verschiedenen Storytelling- und Scrollytellingbeispiele, die es inzwischen auch im deutschsprachigen Raum gibt, zeigen einen möglichen Weg auf.  Bewegung, Visualisierung, Anpassungsfähigkeit als dramaturgische Kategorien? Wenn man Flüchtigkeit und Intensität zusammendenken und unter Spannung setzen will, wäre das zumindest schon mal ein erster Schritt.

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