Dauer: 4:40 Minuten
Audio-Nr: #4432
Inhalt: Ich war eine Brücke, über einem Abgrund lag ich ...
Skript: Ich war steif und kalt, ich war eine Brücke, über einem Abgrund lag ich. Diesseits waren die Fußspitzen, jenseits die Hände eingebohrt, in bröckelndem Lehm habe ich mich festgebissen. Die Schöße meines Rockes wehten zu meinen Seiten. In der Tiefe lärmte der eisige Forellenbach. Kein Tourist verirrte sich zu dieser unwegsamen Höhe, die Brücke war in den Karten noch nicht eingezeichnet. - So lag ich und wartete; ich mußte warten. Ohne einzustürzen kann keine einmal errichtete Brücke aufhören, Brücke zu sein. Einmal gegen Abend war es - war es der erste, war es der tausendste, ich weiß nicht, - meine Gedanken gingen immer in einem Wirrwarr und immer in der Runde. Gegen Abend im Sommer, dunkler rauschte der Bach, da hörte ich einen Mannesschritt! Zu mir, zu mir. - Strecke dich, Brücke, setze dich in Stand, geländerloser Balken, halte den dir Anvertrauten. Die Unsicherheit seines Schrittes gleiche unmerklich aus, schwankt er aber, dann gib dich zu erkennen und wie ein Berggott schleudere ihn ins Land. Er kam, mit der Eisenspitze seines Stockes beklopfte er mich, dann hob er mit ihr meine Rockschöße und ordnete sie auf mir. In mein buschiges Haar fuhr er mit der Spitze und ließ sie, wahrscheinlich wild umherblickend, lange drin liegen. Dann aber - gerade träumte ich ihm nach über Berg und Tal - sprang er mit beiden Füßen mir mitten auf den Leib. Ich erschauerte in wildem Schmerz, gänzlich unwissend. Wer war es? Ein Kind? Ein Traum? Ein Wegelagerer? Ein Selbstmörder? Ein Versucher? Ein Vernichter? Und ich drehte mich um, ihn zu sehen. - Brücke dreht sich um! Ich war noch nicht umgedreht, da stürzte ich schon, ich stürzte, und schon war ich zerrissen und aufgespießt von den zugespitzten Kieseln, die mich immer so friedlich aus dem rasenden Wasser angestarrt hatten.#4425 / O-Ton / ohne Geodaten / Rudiguricht
Zum Autor: seit 1975 wohnhaft in Halle/S.1982 Abitur1985-89 Studium Schlagzeug diverse Band- und Theaterarbeiten1990-96 Studium Sprechwiss./Sprechkunst Autor Puppenspiel DIE FARBEN DES MONDES Stipendium kulturelle Filmförderung Sachsen-A. 1996-2000 Kuratorium FREIWILD-Festival Halle Mitarbeit in Künstlergruppe TATARIN Kunstpreis Sachsen-Anhalt CD-Produktion DER GEIER nach Kafka Feature-Produktionen für DeutschlandRadio Kultur (J.L.Borges)2000-2006 Arbeit in internat. Performance-Gruppe The wolf and the winter in Europa und Sing. Solo-performances, radioart, soundart in London, Barcelona, Grönland, Berlin, Bratislava, Klaipeda, Riga, Tallin, Wien Ausstellungen in München, Kiel, Düsseldorf, Halle Filmarbeiten mit Toni Grisoni (London) Co-Kuratorium Händelfestspiele und RadioRevolten diverse Hörspiele für DR Kultur und freie Radios Autor für mdr Figaro und SDR, ORF Radio-Ausbildung für verschiedene Medienanstalten, Stiftungen und HF-Veranstalter Programmkoordination NKL CORAX Programmentwicklungen für mdr Figaro Entwicklung eines international anwendbaren Radio-Ausbildungs-Planes für das Leonardo-Programm der EU (gemeinsam mit Uni Klagenfurt, HF- Akademie Lille, Radio Agora Kärnten und Radio Student Lubliana2007 Autor des Hörspiels – Hauser – der Vogelmensch Autor des Buches HAUSER Publikationen zum Hörfunk in div. Anthologien und Zeitschriften (u.a. in „Relating Radio“ und „Positionen“ Co-Curator Radiokunstfestival RadioRevolten 2016 mobile Radiokunst-Aktionen seit 2015
Website: http://www.radio-mischpoke.net
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