Podcast Replik Replik

O-Ton (Gespräch) von Dokublog

Dauer: 9:25 Minuten

Audio-Nr: #5014

Inhalt: Feature-Autor Tom Schimmeck hatte in dieser Sendung und einem Audiocamp das für seine Ohren zunehmende Gequatsche in Podcasts kritisiert. Das sorgte für Empörung in der Szene und Podcasterin Nora Hespers antwortete ihm darauf an dieser Stelle – alles nachzuhören auf dokublog.de. Das wiederum hat Tom Schimmeck animiert eine Replik auf die Replik zu produzieren.

Schlagworte: Tom Schimmeck,Nora Hespers,Replik Replik,podcasts,Gequatsche

Ereignis Datum: 02.09.2020
Ereignis Ort: Hamburg, Germany
Skript: Das jüngste Gerücht Lärm, Alarm… Nein, halt, stop. Wir haben ja eine Debatte am Laufen. Collage Oh eine Debatte… Hier, auf Mehrspur, dem Dokublog und auf Twitter. Die Vorgeschichte, schnell erzählt: Das „Journalismus Lab“ der Landesanstalt für Medien in NRW hatte im Vorfeld eines „Audiocamps“ im Juni 2020 um Themenvorschläge gebeten. Mitten im Lockdown. Da hatte ich viel Zeit zum Hören: Feature und Hörspiele und Podcasts. Tolles und Lausiges. Wobei mir aufgefallen war: 1. dass ich oft jene Podcasts lausig fand, in denen zwei, drei Leute einfach vor sich hinreden, ohne viel Vorbereitung, klanglich ungewürzt, kaum geschnitten, zuweilen in einer Tonqualität Marke Bahnhofsklo. „Laberpodcasts“ halt. Collage Moin 2. Dass es davon ziemlich viele gibt. 3. Dass solche Werke gerade auch von bedeutenden Tages- und Wochenpublikationen oder öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern angeboten werden. Motto: Hauptsache, wir haben einen Podcast am Laufen. Weil das ja grad so cool ist. Mein Themenvorschlag fürs Audiocamp lautete also: „Schluss mit dem Gequatsche!“ Fragestellung: Was funktioniert gut? Was nicht? Wie machen wir es besser? Leider aber diskutiert es sich eher schlecht unter Seuchenbedingungen. Weshalb ich ruckzuck einen Zoom-Vortrag an der Backe hatte. Mit ein paar Beispielen für meiner Ansicht nach gelungene und weniger gelungene erke. O Du klingst wie aus der Büchse… Den kennen wir doch… Der markante Titel hatte auch meine lieben KollegInnen in Baden-Baden aufgeschreckt. Und mindestens eine Podcasterin: O „Die Workshopankündigung von Feature-Autor Tom Schimmeck hingegen klingt - ich sags, wie es ist - wie ein Schlag in die Fresse all jener, die sich bemühen, qualitativ gute Inhalte zu produzieren“ Das ist FrauNora, mit bürgerlichen Namen Nora Hespers. Sie hat das mit dem Gequatsche offenbar als Generalbeleidigung aller Freiberufler mit Mikro aufgefasst, die nun – Zitat: „mächtig Puls“ – hätten. Tatsächlich schafft sie es, schon mit dem ersten Satz ihrer Replik falsche Fronten aufzubauen, einen Graben zu ziehen, den ich nicht geschaufelt habe. O „Das Radio auf der einen Seite, die PodcasterInnen auf der anderen…“ Hier dieser altmodische, arrogante Schnarchrundfunk, dort die junge, freie, voll geile Podcastwelt. Venceremos! Nora Hespers schwingt sich in ihre Kritik zur Generalverteidigerin der Podcast-Szene auf. Die sich, erklärt sie uns, seit vielen Jahren – Zitat – „intensiv mit gutem Klang auseinandersetzt und Menschen befähigt, ihre eigene Stimme zu finden.“ O „Eine Leistung die nur selten Beachtung und Würdigung findet. Vor allem von jenen, die im Hörfunk ihr Geld verdienen.“ Full diclosure: Ich bin selbst freier Autor. Und finde auch manchmal, dass meine genialen Ideen zu selten angemessen beachtet und gewürdigt werden. Allerdings habe ich einen notorisch niedrigen Blutdruck. Soll ich mal einen Podcast darüber machen? Podcasts, findet FrauNora, hätten „Lücken gefüllt“, neue Räume eröffnet und „Themen besprochen, die in den Medien so gut wie nie vorkamen“. O „Und die waren und sind nicht nur inhaltlich, sondern auch handwerklich, richtig gut gemacht.“ Das mit den Lücken und den nicht vorkommenden Themen ist mir zu pauschal und auch ein bisschen unheimlich. Den Sound kenne ich aus einer anderen Ecke. Geschenkt. Denn es stimmt ja: Gute Podcasts prägen neue Erzählformen, schaffen Raum für andere Stimmen und Stimmungen. Intonieren Themen anders. Und/oder machen einfach Spaß. Das ist gut so. Aber alle? Heute, da jeder Windbeutel, seine Großmutter und sein PR-Berater podcasted? O einen schönen Guten Morgen allerseits… Wie sagte es einst Herr Müller, Technikchef eines großen deutschen Senders? O Mist am Eingang ist Mist am Ausgang. 2019 gab es angeblich über 12.000 deutschsprachige Podcasts allein auf Spotify, ein Unternehmen, das die – Zitat – „einzigartige Intimität von Podcasts“ –, ihr zielgenaues Storytelling, als idealen Werbeträger anpreist. O synthetisch „Unsere Hörer nutzen Spotify, um ihre Stimmungen und Momente zu begleiten. Für Advertiser sind vor allem Nutzer interessant, die gerade gut gelaunt sind.“ O #LIPSTORIES Hi everyone… Selbst ein neuer Lippenstift wird jetzt per Podcast präsentiert. Baumärkte setzen sich mit Podcasts in Szene. O Hornbach: Werkstattgespräche, der Macher-Podcast. Manch Großunternehmen hält via Podcast die Belegschaft bei Laune. O Wir sind Audi. Der Mitarbeiter-Podcast… Hallo, Ihr Lieben! Ich fürchte, wir haben hier einen Dissens über die Funktion von Kritik. Zumal, wenn Kritik mit einem schulterklopfenden „Wir sind doch alle ganz toll“ gekontert wird, Das bringt sicher ein paar Extra-Herzchen. Eine kritische Diskussion über unsere Arbeit aber, über deren Inhalte, Qualität und Wirkung können wir uns dann schenken. Jede und jeder wurstelt im klitzekleinen Vorgarten weiter vor sich hin. Alle haben sich lieb, alle flüstern fleißig in ihre Mikros. Und ein paar Leute hören ganz bestimmt auch zu. Mich macht dieser kumpelige Umgang manchmal ratlos. Alle sind supervernetzte Follower und Freunde, jeder Furz wird ge-liked, ge-shared und retweetet, als ob es kein Morgen gebe. Diese notorische „Likerei“ wirkt auf mich manchmal wie ein permanentes Tauschgeschäft: Likest Du mich, like ich Dich. Am Ende liken wir uns alle, alle, prima, prima. O It’s always nice tob e number one. Nicht falsch verstehen: Lob ist gut. Wichtig. Auch ich lobe gern und immer öfter. Schreibe schon mal eine Email, wenn mir etwas besonders gut gefallen hat. Und, ja, ich werde auch gern gelobt. Klar. Noch ein paar Kleinigkeiten: 1. O „Ein wirklich guter Podcast geht mit uns zusammen durchs Leben. Er entwickelt sich mit uns. Die Köpfhörer machen die Protagonist:innen zu den Stimmen in unseren Köpfen.“ Feine Sache. Und wenn es klappt, sicher kein Gequatsche. Und doch sträubt sich mein Journalistenherz gegen diese Immer-ganz-nah-ran-Dogma. Nähe ist nicht per se gut. Manchmal, in der Politik zum Beispiel, aber auch bei ganz „privaten“ Themen, ist Abstand sehr, sehr wichtig. Um besser zu sehen und zu verstehen, um nicht aufdringlich zu werden, um sich nicht mit jedem Mist gemein zu machen 2. Nora Hespers beklagt außerdem, „dass das Gespräch so sehr aus dem öffentlichen Raum verschwunden sei“. Den Befund kann ich nicht nachvollziehen. Vielleicht das echte, tief gehende Gespräch. Ansonsten wird doch immer mehr dahergeredet, gemenschelt und ge-talkt. Auch im angeblich so professionellen Rundfunk. Auch aus Kostengründen. Schon sagt manch Rundfunkgewaltiger: Hej, wir machen jetzt auch Podcasts! Die Leute finden es geil. Und es ist auch viiiel billiger!“ 3. Nora Hespers wirft dem Rundfunk Schlafmützentum vor. Zählt dann aber erstaunlich viele gelungene Podcasts öffentlich-rechtlicher Sender auf. Und hält schließlich Margot Overath, der Autorin des großartigen Podcasts über den Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh, vor, ihren Podcast nicht selbst gesprochen zu haben: O „Da sagt jemand ich, die nicht Ich, also die Autorin selbst ist. Klingt super, aber komplett unauthentisch.“ Das ist mir zu simpel. Die Auswahl der sprechenden Stimmen ist künstlerische Freiheit. Und Sache einer guten Regie. Hängt vom Stoff ab. Also, nochmal kurz und knapp: Meine Kritik richtete sich eben nicht gegen das Genre Podcasts, sondern gegen lieblos gemachte Hörwerke. Egal wo. Noch eins: Mein empörender Beitrag war ein Telefonat über einen noch zu haltenden Workshop. In der Langfassung dieser Replik au f Dokublog.de gibt es eine Zusammenfassung. Wie gesagt: Es gibt Tausende Podcasts. Und ich bin nicht der große Experte. Ich höre nur gern und viel und mache selbst Radio, begeistere mich für faszinierende Hörstoffe und auch für guten Klang. Wir sollten weiterreden. Collage Abschied
Gesendet in SWR2: 06.09.2020
Upload Datum: 03.09.2020

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Zum Autor: Der Dokublog ging im April 2008 online und wurde im gleichen Jahr zum Prix Europa nominiert. Im Dezember 2015 gab es einen Neustart.

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