Dauer: 2:58 Minuten
Audio-Nr: #4053
Inhalt: Dritter Oktober. Tag der deutschen Einheit. Seltsam. Kein Herzklopfen, keine Erinnerungsbilder, die mich froh machen, mir die Tränen in die Augen treiben, mich überwältigen oder biographisch bewegen. Ja, die Herrschaften haben am Dritten Oktober erstmals die „Fahne der Einheit“ vor dem Reichstag gehisst, wichtige Reden gehalten und ein mächtiges Feuerwerk abgebrannt, ja, das haben sie. Aber sie haben nicht mich gemeint. Auch nicht all die Bürger und Bewegten, die diese Einheit erst möglich machten. Die mit ihrem verrückten Mut aufstanden und sie einfach nicht mehr aushalten wollten: Diese verfluchte Ohnmacht! Aufrechte Menschen haben mich bewegt, mit ihnen war ich eins. Menschen, die ich in den „neuen Ländern“ kennenlernte. Der neunte November hat mich bewegt. Unser Tanz auf den Straßen. Nicht die Unterhändler der Einheit. Nicht die Beitrittserklärung der Volkskammer. Nicht der rasche Anschluss der DDR. All das mag ökonomisch notwendig gewesen sein. Doch nur der neunte November (und die folgenden Monate) hat heute noch Herz für mich: Dieser unvergessliche gesamtdeutsche Freudentag. Wir waren verwirrt, erstaunt und glücklich. Alles schien möglich. Freiheit, Demokratie, Selbstbestimmung. Diesen historischen Moment gilt es zu zelebrieren. Zu erinnern. Und hörbar zu machen. Denn nur in ihm scheint all das funkelnd auf, was wir heute verloren glauben.
Skript: Collage Sound und Music 1989ff#3567 / O-Ton / mit Geodaten / Feelgood
Zum Autor: Detlef Berentzen wurde 1952 im Schatten einer „sentimentalen Eiche“ (H. Heine) geboren, besuchte im westfälischen Bielefeld die obligatorische Volksschule und das berühmt-berüchtigte (Rats-)Gymnasium. Seit 1971 lebt er, nach kaufmännischer Lehre (Oetker) und ersten Schreibversuchen, dauerhaft in Berlin. Dort studierte er Ökonomie und Philosophie,verfasste Kolumnen für Szenezeitschriften, arbeitete in Kinderläden und Kollektiven. Ab 1981 schrieb er für die „taz“, deren Redaktion und Geschäftsführung er angehörte. Berentzen war Gründer der Zeitschrift für Kindheit „enfant t.“, die er fünf Jahre lang redaktionell betreute.Seit 1987 als freier Journalist und Autor tätig, hat er seitdem für alle wichtigen Rundfunk- und Fernsehanstalten Features und Dokumentationen zu Politik, Kultur und Literatur realisiert. Seine Texte liegen in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern vor.
Website: http://blogs.taz.de/spurensuche
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