Das jüngste Gerücht - 7

Stuss ist erlaubt - eigene Fakten nicht

In Baden-Baden hat gerade der Weihnachtsmarkt aufgemacht. Ach, Weihnachtsmarkt, das bedeutet Glühwein, Atem, der in der Luft gefriert, kalte Füße und als Folge – logisch: Noch mehr Glühwein.

Nur dass die - wie schon in den letzten Jahren - milden Temperaturen am Rande des Schwarzwalds eher die Frage aufwerfen, wann man endlich mit dem zwanghaften Ausschank von alkoholhaltigem Heißgesöff aufhört. Und liebe gleich Pina Collada oder anständig gekühlten Winzersekt serviert.

Der Klimawandel nagt also an urdeutschen Traditionen. Doch Rettung naht: In München hat am vergangenen Wochenende die 12.Internationale Klima- und Energiekonferenz des Europäischen Instituts für Klima und Energie stattgefunden. Und so erstaunliche Erkenntnisse wie „Elf Tatsachen die man wissen muss, um nicht an den menschengemachten Klimawandel zu glauben“ geliefert. Das Institut kürzt sich EIKE ab, was ehrlich gesagt für alle Trägerinnen und Träger dieses Namens eine Beleidigung ist. Die Zwanghaftigkeit, mit der hier der „menschengemachte Klimawandel“ geleugnet wird, könnte man rührend finden, wenn es leider nicht immer noch genug Menschen gäbe, die diesen Quatsch glauben.

Wissenschaftlich verbrämte Desinformation hat Konjunktur. Wir erinnern uns noch gut an den Lungenfacharzt, der mit ein paar Getreuen für rund zwei Wochen argen, aber völlig unbegründeten Zweifel in Sachen Gefahr durch Feinstaub im Straßenverkehr sähen konnte: Eine krude Behauptung wurde da wie ein einziger Eiswürfel hingeschmissen. Und auch hochseriöse Medien sprangen begeistert drauf, rutschten aus und schlugen der Länge nach hin.

Unsere Klimawandler operieren derweil mit langen Formeln, die angeblich mathematisch nachweisen, dass der CO2 Gehalt in der Luft eine Folge und Auswirkung der Temperaturen bzw. des Temperaturanstiegs sei. Und deswegen natürlich nicht deren Ursache sein könne.

  Das perfide an solchen Zirkelschlüsseln ist, dass sie etwas mühseliger zu widerlegen sind als die früher auch mal gerne von „EIKE“ kolportierte Story, Edward Snowden habe zugegeben, dass „Global Warming“, also die Erwärmung der Erdatmosphäre, eine Erfindung der CIA sei.

Dass dieser im wahrsten Wortsinne heiße Scheiss von einer komplett und ausschließlich Gaga-Meldungen verbreitenden US-Homepage namens Worldnewsdailyreport stammt - geschenkt. Worldnewsdailyreport berichtet aktuell übrigens darüber, dass ein Pharmakonzern in Irland versehentlich tonnenweise Viagra in einen Fluss eingeleitet hätte, weshalb Irlands Schafe vor lauter Gerammel gar nicht mehr zum Blöken kommen.

    Mittlerweile sind die Klimawandel-Skeptiker in ihrer Argumentation subtiler. Beliebt ist hier vor allem das Gerücht, die wissenschaftlichen Untersuchungen über den Anstieg der Temperaturen seien fehlerhaft bzw. unvollstänidg. Ihr Argument: Hier würden nur die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorliegenden Messreihen berücksichtigt. Es gäbe aber wesentlich früherer Messungen, die schon vor der Industrialisierung einen Temperaturanstieg zeigten. Dass diese allerdings nur vereinzelt vorliegen und ihre wissenschaftliche Belastbarkeit - höflich formuliert - umstritten ist, fällt unter den Tisch.

Einer konstruktiven Debatte, was dabei Fakten und Fiktionen sind, wird mit dem nächsten Gerücht ausgewichen: Man könne in Deutschland ja leider, leider nun mal nicht mehr alles sagen. Die Political Correctness, Sie wissen schon. Also bleibt man lieber im wohligen Silo der eigenen Filterblase und fühlt sich angenehm als Opfer.

  Dabei kommt gerade das genaue Gegenteil der Realität schon näher: Man kann in Deutschland nämlich nicht nur weiterhin so ziemlich alles sagen. Sondern mittlerweile auch ziemlich unbegrenzt verbreiten. Und das sorgt dann zwangsläufig wieder für eine ziemliche Unübersichtlichkeit, aus der sich prima neue Gerüchte drechseln lassen. Wer seine eigenen Überzeugungen dann vor einer unabhängigen Überprüfung fern hält, mag sich im Recht wähnen. Und sich genüsslich in das wohlige Gefühl namens „Es wird immer schlimmer“ gruseln.

Um es klar zu sagen: Das Gemotze über eine angeblich unsere Freiheit einengende Political Correctness soll nur davon ablenken, dass die eigene Argumentation schlicht Stuss ist. Und einer fairen, faktenorientierte Debatte nicht standhalten würde.

Damit es hier keine Missverständnisse gibt: Stuss ist dabei selbstverständlich erlaubt, grade weil es Meinungsfreiheit gibt. Das Recht auf die eigene Meinung bedeutet aber gerade nicht das Recht auf eigene Fakten. Die gibt es nämlich nicht.

Womit wir bei Friedrich Merz wären: Dass der nach halbwegs aktuellen Umfragen Lieblingskanzlerkandidat der Deutschen jetzt wirklich alle Hoffnung fahren lässt, jemals in der Berliner Waschmaschine Einzug zu halten, ist - noch so ein Gerücht. Mal sehen, ob es nächste Woche noch gilt.

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