Radio is just a toaster, las ich jüngst in einem amerikanischen Blog. Einfach nur ein Gerät, das man austauschen, entsorgen, vergessen kann.
Blogs sind ebenso geduldig wie Papier, und wie dieses müssen sie allerlei Blödsinn ertragen. Ein Radio ist nicht ein Apparat, sondern vielmehr eine Weltmaschine. Es ist wenige Jahrzehnte her, da zählte ein selbstgebautes Radio zum Faszinierendsten, was ein junges Bastlerleben zu bieten hatte. Papprolle, Draht, Diode und etwas Geduld, und fertig war das Detektorradio. Auch wenn das meine statt einem Sender bloss das knisternde Störgeräusch des ums Nachbarhaus kurvenden Rasenmähers empfing: Die Vorstellung, mit den eigenen Händen das Weltgeschehen in den Kopfhörer zu leiten, war unbeschreiblich.
Heute ist die Welt auf allen möglichen Geräten zu finden, und selbst der Toaster wird bald mit dem Internet verbunden sein. Die Welt ist hier vor allem Bild: am Fernsehen, am Computer, auf dem Smartphone. Nur hat das Bild die Tendenz, uns zum teilnahmslosen Zuschauer, oft gar zum Gaffer und zum Voyeur zu machen. Die Allgegenwart des Bildes ist der natürliche Feind der Imagination. Einzig die eigene Vorstellungskraft erlaubt ein Mitfühlen, ein Miterleben dessen, was Menschen berichten. Erst das Radio, dieser geniale Projektor des Kopfkinos, macht uns zu empathischen Medienkonsumenten. Es ist nicht so, dass Radio auf Bilder verzichten müsste: Web documentaries und Soundslides, komponiert aus Fotografie und Feature, zählen zu den stärksten Long Forms der neuen Medien. Ihr Kern aber ist der Klang, der Klang des Weltgeschehens.
Radio - gestern aus Draht, heute als App - mag tatsächlich nur ein Toaster sein. Bloss: Kein Mensch will einen Toaster. Er will Toast. Und der Toast des Radios ist nichts weniger als der Klang der Welt.
Thomas Weibel
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