Szenen vom Band

02.12.2014

Die 60er und 70er waren die Blütezeit der Super8-Kameras. Ob im Urlaub, bei der Hochzeit oder auf der „Helgoland“. So kaufte sich Schiffskoch Günther Ennulat eine Super8-Kamera im PX-Store auf einem amerikanischen Stützpunkt. Das sind Supermärkte in denen amerikanische Soldaten steuerfrei einkaufen können und offensichtlich auch Helgoländer. Ennulat, der seitdem seine „Abenteuer“ als Schiffskoch zu mehreren Filmen verarbeitet hat, hat außerdem über die Helgoland einen Film gedreht. Das Filmen sei für ihn auch eine Möglichkeit gewesen mit den teilweise grausamen Bildern umzugehen, weil er dadurch in die Rolle des Dokumentaristen geschlüpft und zum Beobachter geworden sei. Die Linse als Schutzschild. Videos sind eher die Ausnahme und ein echter Glücksfall. Einer der Pfleger hat mir sogar sein Video zur Verfügung gestellt – auf VHS. Es hat mich einige Zeit gekostet den Film zu digitalisieren. Wer hat heute schon noch VHS. Dokumentarische Aufnahmen ermöglichen es mir als Autor in eben jene Situationen einzutauchen, die meine Gesprächspartner erlebt haben, und sie zeigen unscheinbare Details, die einer Szene erst ihre ganze Sprengkraft verleihen, Mimik und Gestik beispielsweise. Außerdem kann ein Autor damit dynamische Szenen beschreiben, Szenenabfolgen. Ich habe das in dem Stück kaum eingesetzt, da der Fokus am Ende auf der Vermittlung von Fakten beruht. Trotzdem half es, den Alltag auf der Helgoland zu begreifen. Gibt es keine bewegten Bilder, gibt es meistens Fotografien. Einmal habe ich sogar eine 30-minütige Diavorführung miterleben dürfen. Krankenschwester Irma Totzki hat ihre Erlebnisse auf Dias gebannt und während sie Bild für Bild weiterdrückte, kamen ihre Erinnerungen von einem guten alten Tape. Wunderbar. Mit solchen Bildern oder Dias lassen sich Szenen ebenso entwerfen, sie zeigen ebenso Details – doch es ist immer nur EIN gebannter Augenblick. Ob Fotografien oder Video, ich schaue mir die Dokumente gemeinsam mit meinen Interviewpartnern an und lasse sie erzählen. So steigen wir gemeinsam in die Vergangenheit hinab und bauen Vertrauen auf - in diesem Moment stehen sie im Mittelpunkt. Neben diesen „objektiven“ Zeitdokumenten, lassen sich Szenen ebenso mit Hilfe der Erinnerung der Gesprächspartner kreieren. Dabei ist Vorsicht geboten, schon aus dem Grund, dass viele Filter über das tatsächliche Ereignis gelegt werden. Diese gefilterten Erinnerungen werden dann noch durch mich gefiltert. Ein erkenntnistheoretisches Desaster. Doch dafür haben wir ja den Originalton. Oder die aufwendige Recherche, um die Erinnerungen zu verifizieren.

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