von horizontal zu vertikal

22.06.2015

ich stieg mit einer vom konzept her einzigartigen rundfunksendung als autor ein, → pop sunday. avantgardistische rockmusik und freche texte junger, völlig unbekannter autoren. eine insel des glücks im damals stockkonservativen bayerischen rundfunk. wir sprechen vom nachhaltigen nachhall der 1968er-bewegung. pop sunday war vom konzept her basisdemokratisch: jeder autor, der zu einer der monatlichen redaktionssitzungen kam, konnte über andere autoren mitabstimmen und hatte so viel stimmvolumen wie die alt angestammten autoren und die redakteure der sendung. wir haben nicht selten den abteilungsleiter, der die sitzung moderierte, überstimmt, und deswegen wurde wider seinen willen eine sendung draus.

ich erzähle das nicht aus nostalgiegründen; heute würde ein solches konzept aus vielen gründen nicht mehr funktionieren. ich erzähle es, weil pop sunday der inbegriff einer flachen, eben horizontalen struktur im öffentlich-rechtlichen rundfunk war. auch in anderen jugendfunkredaktionen und -sendungen in anderen sendern wie bei der WDR radiothek und dem SFBeat herrschte damals ein ton, der deutliche antiautoritätsmuster zeigte und (ich wähle das wort mit bedacht:) enorme kreativität freisetzte. man hätte denken können, dieser erfolg, dieses klima der offenheit, breite sich auf die ganzen sender aus; tat es aber nicht.

fastforward: heute, 40 jahre später, beherrscht die betreiber der öffentlich-rechtlichen sender ein einziges, damals völlig irrelevantes motiv: sparen! ohne auf die widersprüchlichen bis irrsinnigen motive des sparens angesichts steigender rundfunkgebühren einzugehen: es gibt zwei arten, mit einer vermeintlichen finanzierungslücke umzugehen. man kann sagen, leute, wir müssen das irgendwie schaffen, oder: sorry leute, wir greifen jetzt von oben nach unten durch. letzteres passiert zurzeit – und seit beginn des jahres 2015 besonders verschärft – bei allen öffentlich-rechtlichen sendern. es trifft alle, auch hauptabteilungsleiter, zeitvertragsredakteure, moderatoren, freie autoren. und dabei geht eins völlig kaputt, nämlich das, was ich oben mit bedacht "enorm" nannte.

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