Dauer: 6:59 Minuten
Audio-Nr: #732
Inhalt: Hannah und Tom schwemmt die Sehnsucht nach einem gemeinsamen Himmel auf Erden für einen digitalen Wimpernschlag in den selben Chatroom einer Partnervermittlungseite. Alles muss sehr schnell gehen, es warten ja noch so viele andere. Für wenn soll man sich entscheiden, und warum?! Ach, egal. Ein Versuch über Nähe in synthetischen Zeiten.
Schlagworte: Qual,Wahl,Horizonte,Synthetik
Skript: arbeitest du in einer Lotto-Annahmestelle? das ist ja eine nette anmache! sieht mein profil nach Lotto-Annahmestelle aus? was machst denn du? Lose-Verkäufer auf dem Jahrmarkt? ich kitzle die herzen der verliebten in der schiffsschaukel schöner beruf. smeili man wird halt immer mal wieder see krank was treibt denn einen alten seemann wie dich auf den elektronischen ponyhof? die sehnsucht nach dem ruhigen hahfen. und selbst? die verzweiflung. da ist irgendwas ekliges mit acht beinen in meinem dusch abfluss, traue mich aber nicht dieses giftige pulver zu benutzen wegen dem bild von der kleinen zerfritzelten hand auf der flasche. hast du denn keinen pümpel? Habe hin und wieder spät in der Nacht Pümpelanfälle. Bringt aber nichts mehr. mensch, wir sind dermaßen auf einer wellenlänge, dass ich dereinst bei meinem ersten besuch bei dir, jedes spinnenbein einzeln aus dem schlund fische. Das würdest du tun? es muss Liebe sein!! noch ist es schwere sympathie, aber wer weiß.... schwere Sympathie. fies sowas. geht ganz schlecht ab. jetzt aber mal was anderes, wir müssen uns vor den liebesschwüren erst mal richtig kennenlernen. du fängst an. okay, ich zeichne, male, illustriere. schlecht bezahlt für übellauniges gesindel, und du? mittelmäßige artickelchen schreiben als vorwand, um durch die gegend zu vagabundieren – so das hätten wir also abgehakt. und die liebe? Ob ich derzeit ein emotionales Ängagemäng habe oder was? ja, zum beispiel. nix was man publik machen müsste. Und selbst? zölibatär. musste ein paar monate das herz lüften. Bruch erlitten? ja, aber jetzt is wieder besser. sehe gerade, dass du in deinem profil deine größe gar nicht angegeben hast - wenn du kleiner als 1,29 oder größer als 2,10 bist - hats keinen sinn, das sag ich dir lieber gleich! smeili. eins siebzig. muss jetzt leider schluss machen. wollen wir mal wieder tschätten? morgen zum beispiel? prima idee. also schlaf gut. war schön fand ich auch. träume nicht von ekligen spinnenbeinen. gebe mir mühe. bis bald bis bald. küss die hand. ihh, lieber nicht. hab mich gerade wieder um den abfluss gekümmert. diesmal mit einer spirale. und selbst? habe mich schon mal auf die in spätestens 5 jahren anstehende mitt leif kreisis vorbereitet. wie heißt du eigentlich in echt? Hanna. und du. tom. gefällt mir gut, besser als jörg oder so und hanna ist besser als sandra. wie diese Sängerin aus den Achtzigern. Wie war der Hit? Boys boys boys glaub ich apropos, wollen wir uns nicht mal treffen? oh ja, am besten zu einer museumsführung, und ich überlege mir nerfige fragen für den führer bist du eigentlich pummelig? häh? wieso fragst du? ist auch egal, haste wenigstens ordentlich bodenhaftung. smeili. sehr witzig, echter Schenkelklopfer ok, war scheiße. Gedankenstrich. die erste krise bahnt sich an. kannst doch eine frau nicht fragen ob sie pummelig ist. du voll trottel. gedankenstrich. oh man , ich seh schon. Sollen wir uns den handelsüblichen Riten hingeben und Foto tausch einleiten? Kannst dann wenigsten in Ansätzen selbst urteilen sei nicht eingeschnappt, is mir völlig egal, ob du pummelig bist oder magersüchtig, du löst bei mir was schönes aus und das ist viel wichtiger! Optik ist nicht egal. Mir auch nicht. Habe schon einigen Herren gefallen. Einigen sicherlich auch nicht. Schätze aber, dass letzten endes mein Knall eher im Weg gestanden hat, als meine Hüften. was ist denn dein knall? Vielleicht, dass ich nicht ewig nur mit der spirale in meinem abfluss rumlungern will Muss jetzt schluss machen. Auf meinem Schreibtisch liegt noch unerledigter „Hirn stuhl“ herum. Bis bald! liebe hanna, hier also meine erste richtige mail an dich, nach unseren wunderbar seltsamen lustig, bissigen plauderstündchen auf dem marktplatz der einsamen herzen. ich halte es kurz. und schlage für ein treffen nächsten sonntag vor. was meinste? tom Lieber Tom, unsere virtuelle Begegnung hatte was, das stimmt. Habe allerdings danach schlecht geträumt: ich ahs ein klibberiges Ei. das wovor ich mich am allermeisten ekele. Treffen Sonntag okay. liebe hanna, danke für die traumerzählung. zum wieder aufpeppeln eine strophe aus dem lied das ich gerade höre: Ganz klein am Horizont kann man Dinge sehen. Dinge die wir nicht verstehen. Das Geschehen läßt uns auseinander gehen. Hinein in einen Wald aus Zeichen. Die Weichen sind gestellt. In einer Welt. Deren Umriss uns gefaellt. freue mich, dich bald in 3 D zu sehen Lieber Tom, Wie wirst Du denn anreisen? Mit der herrlichen Deutschen Bahn? In diesem Fall könnte ich ja subversiv am Infoschtand rumlungern und Deiner harren. Bis Sonntag, freu mich. Hanna. liebe hanna, ich will dir mal durchgeben, was ich nach unserem treffen aufgeschrieben habe, beschreibts vielleicht am besten: das wochenende in Köln verbracht, bei der dame in rot. sie ist sehr schrill und sehr albern. sie kümmert sich einen dreck darum, wie sie wirken könnte und sie redet lieb mit den menschen der stadt. unter der dusche singt sie zotige lieder oder erfindet mantras für die spinnen vor ihrem durchsichtigen „fisch dusch vorhang“ und ihre "begegnungspritsche" ist genau 80 cm breit. sie sammelt stofftiere, ziegen und nachtgestalten, ihr lieblings superstar ist die heilige katharina, (ein göttliches wunder), aus den wunden floß milch statt blut. ihr herz ist tief, tief verbogen, so wie meins. manchmal sagt sie: ich bin eine dumme schlampe, dann sagt sie: ich bin die heilige Therese, dann sagt sie: ich bin ein eisklotz. dann weint sie. im kino sitzt sie gerne in der ersten reihe. am liebsten liest sie heimatromane, sie liest sie laut und sie hat eine schwäche für männer, die ihr nicht gut tun. sie hat einen dicken hintern. ich glaube, sie denkt sie mag mich, was sie irritiert oder müde macht, weil sie nicht weiß ob sie es nur denkt oder auch fühlt. vielleicht hat sie die gefühle weggevögelt, um nicht traurig zu werden?! ich verstehe das sehr gut, denn ich kenne dieses programm. gott zum gruße mister tom, Habe mich mal ans Übersetzen deiner letzten mail gemacht, das soll wohl heißen: sie nervt, hat nen Hang zum Vulgären, sie ist mir eigentlich zu fett. leider hat sie auch ne Hackfresse. und dafür, dass sie mit allem, was nicht bei drei in den Bäumen sitzt schon gefickt hat, ist sie im Bett erschreckend unspektakulär. Ich dummes Ding, warum sollte es auch dieses Mal anders sein? So ist es halt mit der „Erbsünde“. Apropos „Erbsünde“: Du hast den grünen Apfel vergessen, Deine graue „Unterhose“ auch. Mich hat das erheitert. Die tollsten „theo logischen“ Deutungen drängen sich einem da auf. Findest Du nicht? Pause. liebe hanna, wie du merkst, hab ich mich in den letzten zwei wochen ganz schön zurückgehalten, was meine schreibwut betrifft. ich habe alles bedacht und befühlt, die dinge hin und hergeschoben und bin zu dem schluss gekommen, dass wir uns nicht mehr sehen sollten. ich fand unser treffen sehr schön und außergewöhnlich, intensiv und besonders. aber mit 38 fängt man langsam an, für den rest des lebens oder zumindest die hälfte davon zu suchen, weil alles das andere schon da ist oder war. vielleicht sind wir uns ja auch zu ähnlich?! irgendwo gibt’s bestimmt worte für das warumnicht, aber ob man die immer finden muss, das tut dann gleich so weh und triffts irgendwie doch nicht. entschuldige, dass ich erst jetzt antworte. brauchte ein bisschen abstand. Nach deiner mail war ich angepisst. Es ist schon wahr was Du sagtest: schade dass wir, um uns kennen zu lernen, uns in sonem komischen Netz verheddern mussten. Scheiß Rollenspiele. Inzwischen bin ich wieder mit allem ganz im Zen. Die schöne Unschuld vom Anfang ist natürlich futsch. Aber dafür gibt es die netten, bereits etablierten Gemeinsamkeiten, die frei von Festlegungen aller Art bestehen könnten: Ergo, lese diese Mail nach Belieben als ein "Guten Tag" oder als ein "Auf Wiedersehen". Lass’ dich nicht klauen. Hanna.#115 / O-Ton / mit Geodaten / strambino
Zum Autor: Jahrgang 1966, gelernter Versicherungskaufmann, Hörspiel- Glocken und Wanderfreund. Gelegentlich auf Reisen, zum Beispiel entlang der Grenzen. Wenn gar nichts geht, auch gerne mal am Glücksspieltresen zu finden.
Website: http://www.schoenerlauschen.de
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