Viel Lärm um acht

Feature von galimatias

Dauer: 5:59 Minuten

Audio-Nr: #1175

Inhalt: Nicht ganz ernst gemeintes Plädoyer für Menschen, die nachts arbeiten und deshalb mit den geltenden Lärmschutzregelungen so ihre Probleme haben. (diverse Abschweifungen inklusive)

Schlagworte: Nachtarbeit,Immissionsrecht,Langschläfer,Lärm,sozial,adäquate,Lebensäußerungen

Skript: Sozial adäquate Lebensäußerung oder Viel Lärm um acht Gerechtigkeit für … Menschen, die nachts arbeiten und deshalb auch sozial adäquaten Lärm am Morgen nicht gut finden. Pünktlich um acht schreit mein Wecker. Ja, schreit. Denn dann stellt die Nachbarsfamilie ihre Kinder im Innenhof zum Spielen ab. Aber irgendwie können diese Kinder das nicht. Stattdessen fängt der kleine Junge spätestens nach drei Minuten an gefühlte tausendmal „Mama“ zu greinen. Dem unfreiwillig gewecktem Nachbarn ist allerdings „schon“ nach den ersten dreiundneunzig Malen eines klar: Mama antwortet nicht. Eine klassische Loose-Loose-Situation. Etwas kann das Gejammer allerdings doch unterbrechen, wenn auch nicht im positiven Sinne. Während ich mich noch dagegen wehre trotz Nachtschicht jetzt unwiderruflich wach zu sein, wütet in mir der Streit um die Frage, wen ich wohl lieber ins Weltall katapultieren würde. Obwohl sie diese Erfahrung absoluter Stille gar nicht verdient haben. Insgeheim weis ich jedoch schon lange: Schuld sind nur die Eltern. Und die denken für gewöhnlich auch noch, sie hätten qua Reproduktion jedes Recht für sich gepachtet. Aber sie und ihre lärmintensive Nachkommenschaft haben anscheinend eine gute Lobby in Berlin. Denn: kürzlich verabschiedete der Berliner Senat eine Gesetzesänderung des Immissionsrechts, der zufolge Kinderlärm eine „juristisch als sozial adäquate Lebensäußerung“ zu bewerten, und daher „zumutbar“ sei. Schöner hätte ich es auch nicht sagen können. Und es kam, wie es kommen musste: kaum ging diese Meldung über die Nachrichtenticker, schon hing überflüssigerweise der hochkopierte Zeitungsartikel bei uns im Hausflur. Unnötig zu erwähnen wer ihn da aufgehängt hat. Da kann man sich schon mal ein bisschen aufregen. Doch als hätte sich jetzt ein Wettstreit um die größere Unbeliebtheit zwischen Eltern und Kind entfacht, legt der Kleine nach: Als nämlich heute Morgen dann die Arbeiter der Firma vom Nachbarhof ihrem Job nachgingen und schwere Gegenstände hin- und her rollten, riefen ihnen diese kleinen Nervbolzen engelsgleich zu: „Hallo! Könnt ihr da drüben bitte mal ein bisschen leiser sein?! Haaaallooooo! Könnt ihr da drüben mal ein bisschen leeeeeiiiiiseeeer sein?! Haaaaaaaalllooooooooooooo! ...“. Was soll ich sagen? In mir kommt der leise Verdacht auf, dass bei der Senatsentscheidung mit unlauteren Mitteln vorgegangen wurde. Ja, man möchte sagen, es sei eine himmelsschreiende Ungerechtigkeit! Und: Nein, das ist nicht brüllend komisch! Ich schweife ab. Über 30 % der Deutschen geben an wenigstens gelegentlich zwischen 22 Uhr und 6 Uhr zu arbeiten. 2009 arbeiteten trotz Krise immerhin 8,3% regelmäßig nachts. Hier brodelt es unter der Oberfläche. Ganze Bevölkerungsschichten tragen schon einen latenten Frühaufsteher, Kinder- und Elternhass mit sich herum. Der soziale Kitt, der da bröckelt, taugt leider nicht, um sich damit die Ohren zu verstopfen. Inzwischen kann man im Internet sogenannte Lärmkarten größerer Städte betrachten, die selbstredend nur Verkehrs- und Industrielärm darstellen. Ich frage mich, wie die es geschafft haben das ganze Kindergequäke da raus zu rechnen?! Damit wir uns nicht falsch verstehen. Ich bin nicht dafür, dass alles immer und überall quasi geräuschlos sein sollte. Absolut verabscheuungswürdig finde ich diejenigen, die, wie hier in Kreuzberg, direkt über die angesagtesten und etabliertesten Clubs ziehen, um sie anschließend mit Lärmbelästigungsklagen zu überziehen. Stichwort „Gentrifizierung“. Schämt euch! Und zieht zurück zu „Mama“! Oder bleibt am besten gleich weg! Ich schweife schon wieder ab. Meine Forderungen lauten also: -Heulsusenverbot in Berliner Innenhöfen! - radikale Änderung des Immissionsrechts - Minderheitenschutz für Nachtarbeiter - Langschlafgebot bis mindestens 11 Uhr morgens - Yuppieluschen raus aus Kreuzberg Alles total einseitig? Immer auf die Kleinen? Es gibt auch noch ganz andere, die mir mit ihrem schlafstörenden Getöse auf den Sender gehen! Zum Beispiel die hier: Was soll´s?! Dann halt Fenster zu, Vorhang dicht, Vuvu-Stopps ins Ohr und dann schlafe ich den Schlaf der Gerechten!
Upload Datum: 24.06.2010

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Dokublog Autor galimatias

Zum Autor: -geboren 1973 in Northeim -aufgewachsen in Moringen (Niedersachsen, bei Göttingen -ab ´93 Studium Politik/DaF/DaZ in Bremen -´97 und 2000 jeweils 9 Monate in Valencia (Spanien) -seit 2004 in Berlin -zur Zeit Fernstudium "Digitale Audioproduktion" -krausedoku (Radiofeature) Musiker; Tontechniker; Dj; One Man Orchestra; Möchtegern Barkeeper aktuelle Projekte: Marmite & The One Man Orchestra (Band)

Website: http://www.hoerlabor.de/

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